Sandmann, lieber Sandmann – es ist noch nicht soweit…


Keine andere Sendung im deutschen Fernsehen kann wohl von sich behaupten, drei Generationen durch ihre Kindheit begleitet zu haben. Für Millionen von jungen Zuschauern ist das Sandmännchen ein Fixpunkt im Tagesablauf, der dazu gehört wie das Zähneputzen. Nachdem es im vergangenen Jahr seinen 50. Geburtstag feierte, steht im September 2010 sein Kinodebüt an. Während Menschen in diesem Alter langsam über den Ruhestand nachdenken, ist für das Sandmännchen die Rente noch nicht in Sicht. Zeit für einen Rückblick.

Die Erfolgsgeschichte des kleinen Mannes begann vor über 50 Jahren. Als in der Zeit des geteilten Deutschlands der ostdeutsche DFF (Deutscher Fernsehfunk) von den Plänen des westdeutschen SFB (Sender Freies Berlin) zur Entwicklung eines Gute-Nacht-Grußes erfuhr, sah man sich in Zugzwang: Eine solche Sendung sollte auch den Kindern im Ostteil Deutschlands angeboten werden können. Angetrieben vom Wettlauf der beiden deutschen Staaten wurde unter Leitung von Gerhard Behrendt in nur zwei Wochen die Figur des Ost-Sandmännchens entwickelt.

Schließlich flackerte am 22. November 1959 um 18:55 Uhr erstmals „Unser Sandmännchen“ über die Fernsehbildschirme der DDR, noch bevor am 1. Dezember desselben Jahres „Sandmännchens Gruß für Kinder“ in Westdeutschland Premiere feierte.

Geschaffen nach der Vorlage von Hans Christian Andersens „Ole Lukoje“, wurde die Figur schnell ein Publikumsliebling. Während Optik und Sendeplatz des West-Sandmännchens häufiger wechselten, hat sich das Äußere seines östlichen Pendants bis zum heutigen Tag nicht verändert. Obwohl gelegentlich zu subtiler politischer Propaganda missbraucht, etwa durch Besuche bei der Nationalen Volksarmee oder im Pionierferienlager, wurde das Sandmännchen in der DDR zu einem beliebten Dauerbrenner. Als 1978 Siegmund Jähn in den Weltraum flog, begleitete ihn eine Puppe des ostdeutschen Sandmännchens auf seine Reise.

Im Osten erreichten vor allem die Figuren Pittiplatsch und Schnatterinchen Kultstatus, dagegen begleiteten die Schweine Piggeldy und Frederick Generationen von Kindern in der BRD auf ihren Weg ins Bett. Überhaupt mussten die kleinen und großen Fans in fast 51 Jahren nur zweimal auf das allabendliche Ritual verzichten: An den Todestagen des ersten Ministerpräsidenten der DDR, Otto Grotewohl (21.09.1964), und des Vize-Staatsratsvorsitzenden Johannes Dieckmann (22.02.1969), fand keine Ausstrahlung der Sendung statt. Selbst am Tag des Mauerfalls lief das Sandmännchen wie gewohnt im Fernsehen: „Als die Nachricht kam, war die Sandmann-Sendung längst gelaufen“, so Redakteurin Anne Knabe (rbb).

Seit der Wiedervereinigung muss sich Deutschland mit einem Abendgruß begnügen. Während das West-Sandmännchen von der Bildfläche verschwand, überlebte sein Bruder die Auflösung des Deutschen Fernsehfunks und wird seit 1992 als gesamtdeutsches Projekt von den Rundfunkanstalten rbb, MDR und NDR, unter Federführung des rbb (bis 2003 ORB), produziert. Dank digitaler Animationen und moderner Webseite hat das Sandmännchen den Sprung ins 21. Jahrhundert erfolgreich gemeistert. Mit den „Moffels“, den „Sandmanzen“ und „Antjes Fischkoppgeschichten“ haben mittlerweile – neben den altbewährten Klassikern – neue Trickfilmreihen Einzug gehalten. Heute finden die Produktionen im Filmpark Babelsberg statt, wo auch zahlreiche der von Harald Serowski gebauten futuristischen Fahrzeuge des Sandmännchens ausgestellt sind. Nach Senderangaben lassen sich täglich insgesamt 1,5 Millionen Zuschauer den Schlafsand in die Augen streuen und in schöne Träume wiegen. Über 10.000 Zuschriften jährlich an die Serviceredaktion unterstreichen den ungebrochen hohen Stellenwert des Formates im deutschen Fernsehen. Eine Zahl, die sich sicher noch erhöhen wird, wenn der kleine Mann ab 30. September 2010 erstmals abendfüllend in „Das Sandmännchen – Abenteuer im Traumland“ über die Kinoleinwände flimmern wird.

Lucas Riemer