Weichmacher als chemische Gefahr in Mobiltelefonen


In der Diskussion über die gesundheitsschädliche Wirkung von Mobiltelefonen ist neben der Handystrahlung auch häufig von so genannten „Weichmachern“ im Material die Rede. Das Bielefelder Institut für Hygiene, Bakteriologie, Analytik, Umweltmedizin und Consulting (HBICON) hat sich unter anderem darauf spezialisiert, Kunststofferzeugnisse – so auch Kinderhandys – darauf zu untersuchen. In einem Gespräch mit dem Geschäftsführer, Dr. Rüdiger Gaydoul, erfragte medienbewusst.de-Reporterin Julia Harries, wie ein solcher Test genau abläuft, wie gefährlich diese Substanzen sind und welche alternativen Stoffe es gibt.

Dr. Gaydoul, was sind Weichmacher? Wieso dieser Begriff und was bedeutet er?

Der Begriff Weichmacher beinhaltet ja im Prinzip schon den Sinn und Zweck dieser Stoffe. Sie sollen relativ spröde Kunststoffe weich machen, damit sie besser handhabbar sind. Dies betrifft vor allem PVC. Das ist der Kunststoff, der besonders ausschlaggebend für den Gebrauch von Weichmachern ist.

Worin genau besteht die gesundheitsschädliche Wirkung der Substanzen?

Weichmacher stehen im Verdacht, die Fortpflanzung zu gefährden, weil sie hormonähnliche Eigenschaften besitzen und somit in den Fortpflanzungshaushalt eingreifen können. Dadurch stellen sie unter Umständen auch für das ungeborene Leben eine Gefahr dar.

Gibt es Alternativen zu diesen PVC-Stoffen bzw. Weichmachern, welche man stattdessen in Mobiltelefonen verwenden könnte?

Es gibt eine ganze Reihe anderer Weichmacher, die eingesetzt werden können. Es gibt beispielsweise so genannte Zitrate. Das sind Salze der Zitronensäure, die auch eingesetzt werden können und die nach bisheriger Kenntnis relativ unbedenklich sind. Dann gibt es so genannte Adipate, das sind Weichmacher, die man unter anderem in Folien für Lebensmittel findet, worin zum Beispiel Käse eingewickelt ist. Diese sind auch noch umstritten. Des Weiteren gibt es zwei bis drei andere Gruppen, die auch eingesetzt werden können. Also ja, es gibt durchaus Alternativen. Es ist nur leider wie immer im Leben so, dass es eine Frage des Preises ist. Die alternativen Weichmacher sind zum Teil deutlich teurer und da zuckt ein Hersteller natürlich zurück.

Könnten Sie kurz und knapp erklären, wie der Testvorgang abläuft?

Wenn die Proben zu uns kommen, werden sie zuerst zerkleinert. Da ist es vor allem wichtig, dass man eine repräsentative Probe nimmt. Das heißt, dass man die Probe nicht nur an einem Ende zerkleinert, sondern möglichst komplett zerkleinert. Oder wenn das komplette Produkt gleichartig ist, wie bei einem Kabel, in einer ausreichenden Menge zerkleinert. Das geschieht mit einem scharfen Werkzeug, beispielsweise mit einer Schere oder einem Messer, das reicht völlig aus. Dann werden diese klein geschnittenen Proben mit einem bestimmten Lösungsmittel extrahiert. Das heißt, diese Schadstoffe werden aus dem Material „herausgelaugt“. Da gibt es verschiedene Möglichkeiten, zum Beispiel durch aufkochen oder durch Einwirken von Ultraschall. Das Extrakt, welches man dadurch erhält, wird nach einer eventuellen Aufreinigung mit einer Spritze direkt in ein Analysegerät gegeben und analysiert.

Auf welche Stoffe müssen Kinderhandys denn noch getestet werden? Wenn sie gesundheitsgefährdende Stoffe analysieren, testen sie doch sicher nicht nur auf Weichmacher.

Also, wir schon. Ein sicherlich ganz wichtiger Punkt ist die Strahlung. Ebenfalls die Lautstärke, die durch die Lautsprecher auf die Kinderohren einwirkt. Dies wird nicht bei uns getestet, sondern in einem anderen Labor. Als drittes könnte man natürlich noch erwähnen, dass auch Schwermetalle durchaus eine Rolle spielen. Bestimmte Schwermetalle sind in Farbpigmenten enthalten und da gerade Kinderhandys oft kreischend bunt sind, können diese natürlich Schwermetalle in sich bergen.

Gibt es eine Art Gütesiegel, woran Eltern erkennen können, dass ein Mobiltelefon frei von Schadstoffen und unbedenklich für ihr Kind ist?

Ja, es gibt Einstufungen von Kinderhandys in den Blauen Engel. Wobei der blaue Engel nicht ganz unumstritten ist, weil er nicht auf alle Schadstoffe prüft. Es hat schon einmal einen Test über Babyphone gegeben. Da war es so, dass Weichmacher teilweise mit einbezogen wurden, teilweise aber auch nicht. In so fern ist der Blaue Engel nicht unbedingt zu 100 Prozent verlässlich. Ein anderes Gütesiegel gibt es allerdings nicht.

Das ist aber schon mal ein Anhaltspunkt?

Ein Anhaltspunkt ist es auf jeden Fall, ja.

Es gibt verschiedene Gruppen von Weichmachern. Was sind denn die Unterschiede in Bezug auf ihre gesundheitsschädliche Wirkung?

Es gibt im Prinzip zwei Dreiergruppen von Weichmachern, wobei wir hier nur über sogenannte Phthalate sprechen. Das sind zuerst einmal Diethylhexylphthalat (DEHP), Di-n-butylphthalat (DBP) und Butylbenzylphthalat (BBP). Diese drei Weichmacher sind nachgewiesenermaßen schädlich, weil sie durch ihre hormonähnlichen Eigenschaften in den Fortpflanzungshaushalt eingreifen können, wie ich schon erklärt habe. Dann gibt es die drei Stoffe Diisononylphthalat (DINP), Diisodecylphthalat (DIDP) und Di-n-octylphthalat (DNOP). Bezüglich dieser drei gibt es keine oder nur sehr widersprüchliche Angaben, ob sie nun eine gesundheitsschädliche Wirkung besitzen oder nicht. Deswegen sind diese beiden Gruppen auch in der Einstufung getrennt aufgelistet.

Sie haben eben das Phthalat DINP angesprochen. Laut einer 2003 veröffentlichten Studie des EU Joint Research Institute wird DINP in Endprodukten als nicht gesundheitsgefährdend eingestuft. Weshalb wurde dieser Weichmacher 2005 durch eine EU Richtlinie in Kinderspielzeug und Babyartikeln trotzdem verboten?

Verboten sind diese Phthalate insofern nicht, wie man das unter dem strengen Begriff „verboten“ normalerweise versteht. Stattdessen gibt es eine Begrenzung und diese liegt bei 0,1 Prozent. Also ganz egal, welches Phthalat wir jetzt ansprechen, bis 0,1 Prozent dürfen in Endprodukten enthalten sein. In der besagten EU-Richtlinie gibt es zwei Einstufungen:

1. Die ersten drei von mir genannten Stoffe DEHP, DBP und BBP sind grundsätzlich für Spielzeug, Kinderartikel, usw. nicht zugelassen.

2. Die zweiten drei DINP, DIDP und DNOP sind nicht für Spielzeuge und Kinderartikel zugelassen, die in den Mund genommen werden.

Die besagte EU-Richtlinie unterscheidet also zum Einen Spielzeug im allgemeinen und zum anderen Spielzeug, das in den Mund genommen werden könnte. Vom Umweltbundesamt gibt es eine zusätzliche Einstufung, die besagt, dass auch diese zweite Gruppe von Weichmachern, die in der EU-Richtlinie nicht so streng eingestuft ist, möglichst zu vermeiden sei, da die gesundheitsschädliche Wirkung eben nicht einwandfrei ausgeschlossen ist.

medienbewusst.de bedankt sich bei Dr. Rüdiger Gaydoul für das Gespräch und wünscht HBICON weiterhin viel Erfolg!

Julia Harries

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