Tablets statt Fingerfarben


Im April sorgte das Vorhaben, einen kompletten Kindergarten im US-Bundesstaat Maine mit iPads für die Drei- bis Sechsjährigen auszustatten, für Aufmerksamkeit. Die Tablets sollen zum Malen, Betrachten von Bildern und als Buchersatz eingesetzt werden. Außerdem beinhaltet das Programm eine ausführliche Vorschulausbildung. Während der ehemalige Gouverneur von Maine, Angus King, das iPad-Programm unterstützt, ist es interessant zu erfahren für wie sinnvoll ein solches Vorhaben in deutschen Kindergärten gehalten wird. Frage und Antwort stand hierzu die Sozialassistentin und angehende Erzieherin Alexandra Seifert.

Frau Seifert, sie wurden vor dem Interview über das Projekt in Maine aufgeklärt. Was halten Sie aus pädagogischer Sicht von dieser Idee?

Ganz ehrlich, nicht viel. Das mag vielleicht sehr fortschrittsfeindlich klingen und natürlich ist es in der heutigen Zeit wichtig mit der modernen Technik umzugehen, aber Kinder brauchen physiologisch Erfahrungen, die sie allein durch das Berühren eines iPads nicht ausreichend erhalten. Ich frage mich: Warum sollen Kinder nicht mit echter Farbe malen? Für sie ist es ein großer Spaß die Farben zu berühren, sie anzufassen, sie auf der Haut zu spüren. Diese kleinen körperlichen Erfahrungen und Empfindungen in ihrer Gesamtheit bringen sehr viel auf Dauer.

Es ist also ein Trugschluss anzunehmen, dass das Ausleben ihrer Kreativität für die Kinder am wichtigsten ist, da auch die körperliche Erfahrung im Umgang mit Materialen unumgänglich ist?

Absolut. Ich verstehe das zudem so: Die Kinder sitzen dann nebeneinander und schauen auf dieses technische Gerät. Der soziale Kontakt untereinander, der für die Schule so dringend gelernt werden muss, wird da, meiner Meinung nach, vernachlässigt.

Aber es ist doch auch möglich, dass sich die Kinder trotz iPad unterhalten. So können sie sich beispielsweise auch die „gemalten“ Bilder auf dem iPad zeigen.

Natürlich ist auch das soziale Interaktion. Aber das reicht meiner Meinung nach nicht aus. Die Kinder werden meist feststellen, dass das eigene Bild sowieso am schönsten ist. Es geht bei der sozialen Interaktion vielmehr um den Prozess des gemeinsamen Arbeitens, als um das Ziel das fertige Bild zu zeigen. Dieser Prozess fehlt doch hier komplett.

Mal vom pädagogischen Aspekt abgesehen – Wäre ein solches Projekt, wie es in Main geplant ist, in Deutschland finanziell machbar?

Natürlich wäre es eine große finanzielle Erstausgabe. Jedoch müssten stattdessen keine anderen Materialien, wie zum Beispiel Bücher gekauft werden. Auf Dauer würde sich das finanziell bestimmt sogar lohnen. Aber wie gesagt, ich komme immer wieder zum pädagogischen Aspekt zurück: Die Kinder brauchen viele Materialien! Außerdem wäre so eine Anschaffung meiner Meinung nach sowieso nicht möglich, da die Erstanschaffung enorm viel Geld kosten würde. Die Kindergärten haben jedoch nicht viel Geld. Sie haben nicht einmal genug, um weitere Mitarbeiter einzustellen, die aufgrund des Erziehermangels dringend gebraucht werden.

Würden Sie diese Arbeitsweise trotz aller Bedenken einmal ausprobieren, um den eventuellen pädagogischen Nutzen und den Umgang der Kinder mit dem iPad einmal aktiv zu erleben?

Ich denke schon. Schon allein deshalb, weil ich mir selbst ein Bild machen möchte, wie kindgerecht so ein iPad ist. Vielleicht gibt es ja tatsächlich ein paar nützliche Ideen und Anwendungen. Im täglichen Spiel innerhalb des Kindergartens würde ich den Gebrauch jedoch unterlassen.

medienbewusst.de bedankt sich bei Alexandra Seifert für das Interview und wünscht viel Erfolg für die Zukunft.

Patrick Feldner

Bildquellen:
Porträtfoto zur Verf. gestellt v. Alexandra Seifert
© chippenziedeutch – flickr.com