“Mutti, mit YouTube werde ich ein Star”


Wer kennt ihn nicht? Justin Bieber und seinen Erfolg im Musikbusiness. Vor ihm nannte man, was er schaffte, pures Glück – nach ihm – einen Trend. Tausende Teenager tummeln sich auf den verschieden Broadcasting-Portalen dieser Welt und veröffentlichen neben Gesangsproben so allerhand mehr über ihr Privatleben. Ein besorgter Kommentar.

Man wird oft hautnah Zeuge viel zu intimer Momente, wenn man wieder einmal ein selbstgedrehtes Video eines Teenagers bei YouTube anschaut. Er oder sie sitzt dann in seinem/ihrem Kinderzimmer und spielt ein paar Akkorde von “Nirvana” oder “Lady Gaga” auf der frisch erworbenen Gitarre. Im allerschlimmsten Fall liest man dann noch die Kommentare, die es oft ganz schön in sich haben. Ein kleines Martyrium für sich.

Auffallen um jeden Preis?

Die Lieblingsstars der meisten Teens sind ständig in den Portalen abrufbar. Obwohl zumeist schnell ihr Ruhm verblasst, wird ständig der Reiz durch neue Vorbilder dank den Medien geweckt, die es dann wieder zu gewisser Aufmerksamkeit im Netz schaffen.

Wie wichtig die Unterhaltung durch Musikvideos im Internet ist, zeigt auch die aktuelle JIM-Studie. Sie enthüllt, dass der Computer besonders gern als “Musikabspielstätte” genutzt wird und Musikvideoportale wie YouTube von immenser Bedeutung für die 12- bis 19- Jährigen sind.

Und als wäre es noch nicht genug, dass sich Kinder im Internet den Tag mit Videogucken vertreiben, kommen dann noch die Möglichkeiten der Erstellung eigener Konten hinzu. Seit dem Aufkommen der Sozialen Netzwerke besteht der Trend, sich gerne in einer selbst gewählten “virtuellen Person” darzustellen – mit wünschenswerten Eigenschaften. Auf YouTube kann man das auch, indem man der Öffentlichkeit ein Potpourri an Videos bereitstellt, die der Selbstdarstellung dienlich sind.

Mehr als drei Milliarden Aufrufe pro Tag, 45 Stunden Videomaterial-Uploads pro Minute und in einem Monat werden mehr Videos auf YouTube hochgeladen als von den drei großen amerikanischen Sendern in 60 Jahren erstellt wurden, erklären die Presseseiten von YouTube. Ohne Zweifel: Eine riesige Plattform um die Öffentlichkeit zu erreichen und das, für jeden, der die meisten Klicks und die besten Bewertungen bekommt.

In der Traumfabrik

Schaltet man den Fernseher an und zappt auf das Kinderprogramm, dann geht die Sache mit dem Wunschtraum ein Star via Internet zu werden weiter, wie beispielsweise die Sendung ICarly (Nick), in der ein paar Kinder zu gewisser Bekanntheit kommen, weil sie eine Video-Broadcasting-Show im Internet produzieren.

Täglich laufen Serien, die von dem Mädchen nebenan erzählen, dass undercover im Musikgeschäft tätig ist oder von den coolen Jungs, die als Boyband die Köpfe aller weiblichen Zuschauer verdrehen. In einer Welt, wie von Disney, scheint nichts unmöglich. Heute TV-Star, morgen schon die echte Sängerin. Da passt es nur zu gut, dass das Motto des Disney Channels lautet: “Normale Jugendliche in unnormalen Situationen”.

Immer weniger verwundert es dabei, dass selbst die alltägliche Berichterstattung über Teenager-Stars Gewohnheit geworden ist. Man begleitet sie als Zuschauer zu ihren Auftritten und ihren ersten privaten “Abstürzen”. Nichts Ungewöhnliches.

Aufmerksamkeit als neue Währung

Doch was passiert, wenn tatsächlich ein gewisser Erfolg in Form vieler Klicks bei dem ganz normalen Teenager via Heimvideo eintritt? Dann sollte man eher mit dem Fall rechnen, dass schon bald neben positiv, auch negativ Bewertungen abgegeben werden. Und selbst, wer als Kind im Netz fallen gelassen wird, muss sich auf Cybermobbing gefasst machen.

Dass die Medien mittlerweile nur die Prominenz (wie die von Kinder-Stars) nutzen, um die Rezipienten an sich zu binden, wird offensichtlich. So auch die Befürchtungen von Georg Franck, Professor an der TU Wien: Die Bedeutung der Person tritt gegenüber ihrer medialen Präsenz in den Hintergrund.

Das, was heute also anders zu sein scheint, sind nicht die YouTube-Teenager, sondern die Mediengesellschaft. Georg Francks These: Menschen streben anstelle von Macht und Geld immer stärker nach Aufmerksamkeit. Aufmerksamkeit als neue Währung sozusagen. Die geschäftliche Unerfahrenheit der Kinder macht sie also nur zu einem Spielball im Medien-Business, in dem es einzig um Öffentlichkeit geht.

Claudia Neufert

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