Jugendmedienschutz als Grenze des Föderalismus?


Seit Monaten bestimmen Schlagzeilen rund um die rechtsextremistischen Gruppierungen in Deutschland die Nachrichten. Regelmäßig werden dabei die föderalistischen Strukturen der Bundesrepublik für Versäumnisse der zuständigen Behörden verantwortlich gemacht. Diese Föderalismus-Debatte ist uns bereits aus dem Bildungswesen bekannt und im Jugendmedienschutz wird sie früher oder später ebenfalls erneut geführt werden. Doch bevor Politik und Öffentlichkeit das Thema Jugendmedienschutz wieder aufgreifen, hat medienbewusst.de das deutsche System des Jugendmedienschutzes und das Spannungsverhältnis zwischen Bund und Länder unter die Lupe genommen.

Die Innenpolitik ist aktuell ein großes Thema. Immer noch kommen fast wöchentlich neue Informationen rund um die Zwickauer Terrorzelle ans Licht. Rechtsradikale Verwicklungen zwingen den Generalstaatsanwalt zu umfangreichen Ermittlungen sowie Politiker zum Umdenken und zur länderübergreifenden Zusammenarbeit. Doch zu den oberflächlichen Nachrichten neuer Ermittlungsergebnisse mischen sich Stimmen, die den Föderalismus für die unklaren Zuständigkeiten mitverantwortlich machen. Einige Aufgaben werden doppelt erledigt, andere dagegen gar nicht. Die Diskussion ist zwar nicht neu, aber eben auch noch nicht abgeschlossen. Wie in der Innenpolitik stößt der Föderalismus auch im Bildungsbereich und im Jugendmedienschutz des Öfteren an seine Grenzen. Im Folgenden soll genauer dargestellt werden, wie die Strukturen im Jugendmedienschutz momenten geregelt sind und inwieweit der Föderalismus für die Unübersichtlichkeiten im System verantwortlich ist.


Das föderalistische System des Jugendschutzes

Im Jahr 2003 kam es zu einer umfangreichen Neuregulierung des deutschen Jugendschutzsystems. Die zwei Kernaspekte waren dabei die Unterscheidung in Tele- und Trägermedien sowie das Konzept der regulierten Selbstregulierung, die sich wie folgt auf den Jugendmedienschutz auswirken:

    • In Deutschland wird der Jugendschutz an zwei Fronten geregelt: Der Bund ist verantwortlich für die Trägermedien, die im Jugendschutzgesetz (JSchG) geregelt werden. Die Länder dagegen sind für die Telemedien zuständig, die im sogenannten Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) geregelt werden. Bei Trägermedien handelt es sich um CDs, DVDs und alle Datenträger, die durch eine Konsole abspielbar sind. Vereinfacht gesagt, ist dies der gesamte Offlinebereich. Die Telemedien umfassen dagegen sowohl das Internet als auch Fernsehen und Radio, also den Onlinebereich.
    • Die regulierte Selbstregulierung war eine jugendschutzrechtliche Neuregelung, die zu erheblichen strukturellen und institutionellen Änderungen führte. So war die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) fortan als gemeinsamer Vertreter der einzelnen Landesmedienanstalten zuständig. Zudem etablierten sich Einrichtungen der freiwilligen Selbstkontrolle (USK, FSK, FSM). Diese Selbstkontrolleinrichtungen handeln nicht völlig eigenmächtig, sondern unterliegen einer gewissen staatlichen Aufsicht. Dieses Zusammenspiel von staatlichen Behörden und Einrichtungen der Selbstkontrolle prägen den Begriff der regulierten Selbstregulierung.

Zuletzt sollte der JMStV zu Beginn des Jahres 2011 durch eine Novelle aktualisiert und verbessert werden. Jedoch scheiterte der Änderungsvertrag kurz zuvor im nordrhein-westfälischen Landtag. Hierfür sind neben rechtlichen Unsicherheiten und inhaltlichen Bedenken sicherlich auch parteipolitische Überlegungen verantwortlich, die an dieser Stelle aber nicht weiter betrachtet werden.


Föderalismus in Politik und Recht der Medien

Damit ein Staatsvertrag wie der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag in Kraft treten kann, wird zwingend die Zustimmung aller Vertragspartner benötigt, d.h. die Ratifizierung aller Länderparlamente. Bis es soweit ist, vergeht erwartungsgemäß einige Zeit. Viele Diskussionen und Kompromisse sind erforderlich. Stimmt ein Landtag nicht zu, waren die langwierigen Bemühungen der anderen Länderparlamente vergebens und der Staatsvertrag gilt als gescheitert. Gleichwohl bedeutet dies, dass weiterhin der alte JMStV besteht und in den darauffolgenden Jahren die Arbeit an einem neuen JMStV von vorne beginnen wird.

In der föderalen Medienpolitik könnten rechtliche Änderungen zu Verbesserungen führen, allerdings sind dafür umfassende Reformen notwendig. Eine erste Möglichkeit wäre, dass die Länder auf ihre Kompetenzen im Hinblick auf die Rundfunkregulierung verzichten und diese dem Bund übertragen. Damit wäre der Bund sowohl für die Träger- als auch für die Telemedien zuständig. Dies scheint auf den ersten Blick zweckmäßig zu sein, da nach dem Grundgesetz grundsätzlich der Bund für den Kinder- und Jugendschutz zuständig ist. Auch die Digitalisierung des alltäglichen Lebens von Kindern und Jugendlichen und die zunehmende Medienkonvergenz, d.h. das Verschwinden der Grenzen zwischen Online und Offline, könnten eine Übertragung der Kompetenzen auf den Bund zusätzlich sinnvoll erscheinen lassen. Allerdings würde durch dieses Vorgehen das Problem lediglich verlagert werden: Der Jugendmedienschutz würde dann zwar dem Bund obliegen, aber die Kompetenzen aller weiteren Aspekte des öffentlich-rechtlichen Rundfunksystems würden in Länderhand verbleiben. Diese urspüngliche Aufteilung der Medienkompetenzen auf Bund und Länder ist schließlich gewollt und hatte zum Ziel, eine Konzentration der Meinungsmacht- und mache zu vermeiden.

Ein anderer Lösungsansatz sieht vor, dass ein Staatsvertrag nicht in allen Bundesländern zeitglich in Kraft treten müsste. So könnte der Staatsvertrag nach der Ratifizierung eines Landesparlaments direkt in dem jeweiligen Bundesland in Kraft treten – statt wie bisher auf die Ratifizierung aller anderen Länder zu warten. Dies hätte im Jahr 2010 bedeutet, dass der geänderte Staatsvertrag in allen Ländern in Kraft getreten wäre, mit Ausnahme von Nordrhein-Westfalen. Der Vorteil liegt auf der Hand: In 15 Bundesländern wäre ein verbesserter Jugendmedienschutz möglich. Allerdings könnte dies auch dazu führen, dass die Regelungen von Bundesland zu Bundesland dauerhaft eine derart unterschiedliche Gestalt annehmen, dass somit ein jugendschutzrechtlicher Flickenteppich entsteht, der bei den verschieden Zielgruppen zu einer vermehrten Unsicherheit führt.


Zeitgemäßer Jugendmedienschutz – aber wie?

Die Aufteilung in Träger- und Telemedien und die damit verbundene Aufteilung der Kompetenz auf Bund und Länder war bei Inkrafttreten dieser Regelung im Jahr 2003 ein erheblicher Fortschritt. Heute allerdings verbirgt sich darin ein Widersprich in sich. Denn ein zeitgemäßer Jugendmedienschutz sollte die Medienkonvergenz widerspiegeln. medienbewusst.de hat dieses Problem bereits ausführlich am Beispiel der Computer-und Videospiele deutlich gemacht: Spiele werden im Laden gekauft und anschließend online aktualisiert. Da diese Spiele vorab bereits von der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) geprüft wurden, gibt es für die späteren Online-Features keine Handhabe mehr, um sie altersentsprechend zu klassifizieren. Dies bedeutet im Endeffekt, dass die Alterskennzeichen durch die Online-Aktualisierungen regelrecht veralten.

Eine Möglichkeit, um die Medienkonvergenz in den Jugendmedienschutz in implementieren, wäre die flexible Alterskennzeichnung. Nach einer ersten Kennzeichnung durch die USK würde das Spiel bzw. die Online-Features des Spiels regelmäßig überprüft und die Altersfreigabe angepasst werden. Erste Änderungen wurden bereits im September 2011 vorgenommen, durch die USK.online und die FSK.online. Die KJM hat damit die Kompetenzen der USK und FSK auf Online-Belange erweitert (medienbewusst.de berichtete). Allerdings ist zu diesem Zeitpunkt noch fraglich, inwieweit die Kriterien für die Alterseinstufung von dem Offlinebereich einfach in den Onlinebereich übertragen werden können.

Ein weiterer Punkt, der zukünftig verstärkt Beachtung erfahren muss, ist die Internationalisierung des Jugendschutzes. Am Beispiel Computerspiele zeigt sich mittlerweile ein ausgeprägtes Kennzeichnungschaos. PEGI- und USK-Kennzeichen auf der Verpackung, die die Spiele in vielen Fällen sogar noch für unterschiedliche Altersstufen freigeben (medienbewusst.de berichtete). Zudem sind in Deutschland häufig nur entschärfte Versionen einen Spiels erhältlich. Dies führt dazu, dass sich Jugendliche die Originalversion leicht über das Internet besorgen können. Auch der Geltungsbereich der neuen Selbstkontrolleinrichtungen FSK.online und USK.online erstreckt sich lediglich auf das deutsche Terrain.

height=”270″ style=”border: 1px solid black”              &#160 Die deutschen FSK- und USK-Kennzeichen und die europäischen PEGI-Kennzeichen


Eine europäische Herausforderung steht bevor

Abschließend ist zu betonen, dass das deutsche Jugendmedienschutz-System international durchaus Anerkennung findet, obwohl es von anderen europäischen Schutzsystem abweicht. Das deutsche System der regulierten Selbstregulierung hat sich vielfach bewährt und unser Jugendschutzsystem ist detailliert und – trotz seiner Lücken – an aktuellen Technologien orientiert. In absehbarer Zeit ist mit einer Novellierung des JMStV zu rechnen. Spätestens dann wird sich der deutsche Gesetzgeber fragen müssen, ob wir unser deutsches System weiter ausbauen oder aber, ob wir uns verstärkt unseren europäischen Nachbarn anpassen, um international handlungsfähig zu bleiben. Dass die rechtlichen Entwicklungen den realen Entwicklungen hinterher hinken, ist nichts Neues und wird wohl auch zukünftig nicht zu vermeiden sein. Daher kann unser Fazit nur lauten: Nicht auf Anpassungen des Jugendmedienschutzes warten, sondern Medienkompetenz frühzeitig fördern!

Katharina Große-Schwiep

Bildquellen:
© flickr – confidence, comely