Biologie und Geschichte kennzeichnen den neuen Hip Hop?


Rap + Education = Rapucation. Dass Melodien, Lieder und Reime meistens sehr leicht im Gedächtnis haften bleiben, ist nichts Neues. Viele haben diese Eigenschaft bereits für sich genutzt, wenn es ums Lernen geht; langweilige Fakten werden in kurze Reime umgewandelt oder Eselsbrücken gebaut, indem man Wörter aus den Anfangsbuchstaben irgendwelcher wissenschaftlichen Modelle baut. So, aber noch professioneller arbeitet zum Beispiel das deutsche Hip Hop Duo „Rapucation“.

Mad Maks und Beatzarre – das klingt im ersten Moment nicht anders als die üblichen Künstlernamen im Hip Hop Geschäft. Doch Etwas unterscheidet diese Zwei gewaltig von ihrer Konkurrenz – sie sind Hip Hopper mit selbsternanntem Bildungsauftrag. Zusammen sind Robin Haefs und Vincent Stein das Duo „Rapucation“ und zeigen, dass sich Rap und Bildung (engl. education) durchaus sinnvoll vereinen lassen. Ihre Idee ist das Lernen durch Musik und wurde im Rahmen eines Versuchs mit 696 Kindern an 33 Berliner Grundschulen bereits erfolgreich erprobt. Robin Haefs schrieb sogar seine Bachelorarbeit über dieses Experiment.

Hip Hop als Lehrmethode hat sogar schon mehr Anklang gefunden, als man vielleicht erwartet. So rappen Doppel-U und Shakun aus Thüringen Texte der klassischen Literatur. Und dass dies wirklich nach Hip Hop klingt, verdeutlicht zum Beispiel ihre Version von Schillers „Der Pilgrim“. Aber auch Branchenfremde finden den Weg zum Rap. Zu ihnen gehört der Kölner Juraprofessor Klaus Peter Berger, der mit seiner ganz eigenen Version des §823 bekannt wurde.
Die Vorstellung, dass Musik und Lernen nichts Gegensätzliches darstellen, beruht übrigens keineswegs nur auf Alltagserfahrungen. Auch die Forschung beschäftigt sich intensiv mit derartigen Theorien. Im Mittelpunkt steht hierbei die Hirnforschung, denn Hören und Wahrnehmen von Musik ist ein neurophysiologischer Prozess. Das Gehirn ist für die Verarbeitung sämtlicher medialer Informationen verantwortlich. Forscher spekulieren bereits, dass sich durch die in der musikbezogenen Hirnforschung gewonnenen Kenntnisse die praktische pädagogische Arbeit zukünftig verändern wird.

Aber nicht nur Musik als Lerninstrument an sich ist spannend. Die Wirkung von Musik als Nebenbei-Medium ist auch nicht zu verachten. Tatsächlich kann geeignete Musik das Lernen positiv unterstützen. Es existieren verschiedene Theorien darüber, welche Art von Musik am effektivsten wirkt. Vor allem ist hier die Klassik zu nennen, deren entspannende und konzentrationsfördernde Eigenschaften gerühmt werden. Auch gibt es Annahmen darüber wie viele BPM (Beats Per Minute = Schläge pro Minute) am förderlichsten seien. Eine allgemeingültige Definition wurde bisher jedoch nicht gefunden, so dass im Endeffekt immer noch der persönliche Geschmack entscheidend ist. Dass das Gehirn aber durch die Stimulation von Geräuschen besser lernt und eine gleichmäßige Geräuschkulisse das Aktivierungsniveau anhebt ohne abzulenken, ist unumstritten.

Ob Lernen durch Musik oder Lernen mit Musik, in beiden Fällen stellt sich die Frage, wieso sie einen so starken Einfluss auf uns ausübt. Und wieder kommt das Gehirn ins Spiel. Ausschlaggebend ist die Tatsache, dass die zentrale Hörbahn das Zwischen- und Mittelhirn durchläuft. Die Verarbeitung der auditiven Reize erfolgt an vielen verschiedenen Stellen, so dass unterschiedliche Funktionsbereiche integriert sind. Die Hörbahn wiederum ist mit dem Limbischen System verbunden, das eine zentrale Rolle in unserem Körper spielt. Aufmerksamkeit, Erinnerungsvermögen, Lernprozesse und Emotionen sind nur einige Beispiele dafür, was alles vom Limbischen System beeinflusst wird. Man kann bei diesem Gedanken nur mutmaßen in welchem Umfang Musik fähig ist, den menschlichen Organismus zu beeinflussen.

Noch herrschen die bekannten Unterrichtsformen in den Schulen vor, doch Projekte wie „Rapucation“ und der Einfluss der Hirnforschung auf die Musikpädagogik lassen eine neue Dimension des Lernens in Zukunft erahnen.

Deborah Schmidt

Bildquelle:
Pressestelle Berlin, Rapucation