Auf der Affenfels-Insel ist es wolkig mit Aussicht auf Fleischbällchen, in Timberline greift das Jagdfieber um sich und Wall-E rettet die Weltbevölkerung vor sich selbst. Es hat sich viel getan, seit 1995 Cowboy Woody die Kinos in Toy Story erobert hatte. Die damals als neuartig gefeierte Animationstechnik ist mittlerweile zum Standard und Alleinherrscher der Kinderunterhaltung geworden. Umso freudiger registrierte medienbewusst.de, dass mit „Der Mondmann“ bald wieder ein klassischer Zeichentrickfilm in den Lichtspielhäusern zu sehen sein wird.
360.000 Kilometer entfernt sitzt er jeden Abend dort, der Mondmann. Ohne Murren geht er seiner Arbeit nach: spendet Licht in den finstersten Stunden und schenkt jedem Kind Hoffnung, sodass es auch in den gruseligsten Nächten Schlaf findet. Doch was macht der Mondmann, isoliert und gelangweilt im Dauereinsatz? Genau! Auch er braucht einmal Urlaub. So greift er sich den nächstbesten Kometen und reist Richtung Erde.
In Tomi Ungerers Bilderbuch-Klassiker basierenden Film geschieht genau dieses: Kaum auf der Erde angekommen, ist der Mondmann, gesprochen von Katharina Thalbach, überwältigt von all den Dingen, die ihm erstmals begegnen. Farben, Tiere, Landschaften, all jenes, was er nie zuvor gesehen hatte. Sofort werden die Stärken des Films sichtbar. Erfrischend neu wirken Farben und Motive. Flora und Fauna der neuentdeckten Welt setzen sich gekonnt vor einem zum Teil schwarzgestalteten Hintergrund ab. Obwohl die expressionistisch anmutenden Zeichnungen teilweise an „das letzte Einhorn „ und „als die Tiere den Wald verließen“ erinnern, weiß es doch zu überraschen angesichts der Flut an gegenwärtigen Animationsfilmen.
Trotz der Vielfalt an Farben und Tieren, ist die Welt, die der Mondmann erkundet, kein Utopia. Beherrscht wird sie nämlich vom „Präsidenten“. Obwohl dieser selbst die verborgensten Ecken längst sein Eigen nennen kann, strebt der herrschsüchtige Diktator nun nach mehr. Neues Ziel: der Mond. Voll des Tatendrangs wendet sich der Präsident an den Erfinder Bunsen van der Dunkel mit der Bitte, eine Rakete zu bauen. Zufällig beherbergt jener Erfinder jedoch den Mondmann, der mittlerweile vom Heimweh geplagt ebenfalls mit einer Rakete zum Mond zurückkehren will.
Die gesamte Geschichte und der letztliche Wettlauf, um die Reise zum Mond, werden akustisch einmalig begleitet. Der Mix aus pompöser Orchestermusik und zum Teil jazzigen Klänge wie in Louis Armstrongs „Moon River“ bildet einen tollen Soundtrack, der sich deutlich von der herkömmlichen Mainstream-Musik anderer Kinderfilme abgrenzt.
Dennoch fällt das Fazit schwankend aus. Während viel Wert auf eine hohe künstlerische Note gelegt wurde, welche auch klar zu erkennen ist, wurden einfache filmische Elemente vergessen. So fehlt es dem Film sowohl an einem wirklichen Spannungsbogen als auch an Überraschungsmomenten. Auch die Synchron-Stimmen wirken für einen Kinderfilm unpassend. Katharina Thalbach mag zwar als Schauspielerin angesehen und erfolgreich sein, ihre Stimme jedoch ist zu tief und monoton, um dem Mondmann wirkliche Sympathie verleihen zu können.
Obwohl der Film letztlich Geschmackssache ist, sollte man ihn jedoch einmal sehen, um das neue Konzept, das auf alten Tugenden beruht, eine Chance zu geben. Kinder sollten dies jedoch im Beisammensein ihrer Eltern tun, da der Film aufgrund der neuartigen Gestaltung nicht immer leicht zu verstehen ist und zum Teil auch sexuelle Anspielungen beinhaltet, die der Erklärung der Eltern bedürfen.
Leon Strohmaier
Bildquellen:
© Neue Visionen Filmverleih