Die Raubkopie scheint gesellschaftlich längst angekommen zu sein. In fast jedem Haushalt lässt sich ein CD- oder DVD-Brenner finden und selbst bei Konsolenspielern ist es angesagt, die Lieblingskonsole zu “cracken”, um das leidliche Entgelt für die Spiele zu umgehen. Letzteres kann zumindest den Verlust des Garantieanspruches zur Folge haben. Doch wann müssen Eltern eine Hausdurchsuchung der Polizei oder einen Brief des Staatsanwalts fürchten? Und ab wann ist das Kopieren von Software illegal? medienbewusst.de hat nachgehakt.
Evrim Sen, Autor des Buches “No Copy” und früheres Mitglied der Raubkopierer-Szene, empfindet schon den Begriff “Raubkopie” als äußerst fragwürdig. “Raub” bezeichne in juristischer Hinsicht ein Strafdelikt, bei dem einer Person eine physisch existierende Sache mittels Gewalt entwendet wird. Dies treffe aber auf den Diebstahl eines Informationsgutes in keiner Weise zu und suggeriere damit eine Härte im Vorgehen des Handelnden, welche so tatsächlich gar nicht gegeben sei.
Die “Entwendung geistigen Gutes” wird vom Gesetzgeber ohnehin weitaus wertneutraler als “Urheberrechtsverletzung” bezeichnet, der Begriff “Raubkopie” taucht im deutschen Urheberrechtsgesetzt erst gar nicht auf. Die Vermutung liegt daher für viele nahe, dass speziell die Unterhaltungsindustrie, welche sich durch die steigende Zahl von Raubkopien und einer rückläufigen Marktentwicklung existentiell bedroht fühlt, die Verwendung des Begriffs fördert, um die Sachlage besonders für den Laien juristisch zuzuspitzen und so Ängste zu schüren.
“Jeder, der in der heutigen Informationsgesellschaft lebt, ist ein potentieller Raubkopierer. Ein typisches Bild des Raubkopierers gibt es nicht”, meint Evrim Sen. Sollte das stimmen, proklamiert die 2003 ins Leben gerufene PR-Kampagne “Raubkopierer sind Verbrecher” nichts anderes als eine Gesellschaft voller potentieller Straftäter. Was viele jedoch nicht wissen: Urheberrechtsverletzungen gelten vor Gericht als Vergehen und nicht als Verbrechen. Doch der Plan der Unterhaltungsindustrie, sich in der Politik durch diese und ähnliche Kampagnen lauthals Gehör zu verschaffen, scheint aufzugehen: 2008 wurde eine deutliche Verschärfung des Urheberrechtsgesetzes beschlossen.
Grundsätzlich besitzt der Urheber das ausschließliche Recht der Verwertung, Vervielfältigung und Verbreitung seines Werkes. Der Urheber darf, auch nach verschärfter Gesetzeslage, sein Recht jedoch nicht geltend machen, wenn Kopien lediglich für den privaten Gebrauch genutzt werden und damit kein Kopierschutz umgangen wird. Bei Computersoftware ist es zum Eigenbedarf sogar erlaubt, für eine Sicherungskopie den Kopierschutz zu umgehen, sofern vorher das Originalprodukt erworben wurde. Diese darf jedoch nicht einzeln verkauft oder verschenkt werden. Jedes Herunterladen und Bereitstellen von illegal vervielfältigten Dateien im Internet oder auf Internettauschbörsen ist strafbar.
Die Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen (GUV) sieht aktuell vor allem eine Gefahr im sogenannten Filesharing, eine immer populärer werdende Möglichkeit der Datenverbreitung, wobei meist auf Portalen von Drittanbietern (z.B. auf rapidshare), Daten von Usern für andere User bereitgestellt werden. Urheberrechtsverstöße können strafrechtlich wie auch zivilrechtlich verfolgt werden. Dabei wird strafrechtlich nicht nur der Raubkopierer belangt, der im großen Stil profitorientiert kopiert, sondern eben auch der Schüler, der zum Beispiel für den privaten Gebrauch in Internet-Tauschbörsen aktiv ist.
Die in dem Zusammenhang immer wieder publizierten “fünf Jahre Freiheitsentzug” sind dabei irreführend. Strafrechtlich wird nur “gewerbliches” Handeln mit Raubkopien mit bis zu fünf Jahren Freiheitsentzug bestraft, für private Vergehen sind größten Teils Geldstrafen vorgesehen. Das “Knacken” eines Kopierschutzes kann mit einer Geldstrafe von bis zu 100.000 Euro und einem Freiheitsentzug von bis zu einem Jahr geahndet werden. Die allseits gefürchtete Hausdurchsuchung der Polizei oder der Brief des Staatsanwaltes ist für Privatkopierer allerdings eher unwahrscheinlich, laut GVU jedoch durchaus möglich, “wenn der Sohn oder die Tochter in Filesharing-Netzwerken, auf Payservern oder ähnlichen illegalen Quellen aktiv ist”, die illegale Kopie also für eine größere Öffentlichkeit bereitstellt.
Eltern müssen eher eine Klage des Urhebers des Originals fürchten. Dieser belangt auch die “kleinen”, privaten Kopierer. Wenn der Urheber beweisen kann, dass eine Datei aus dem Internet getauscht wurde, dann befindet sich der Angeklagte rechtlich in einer wenig aussichtsreichen Position. Wurden die Daten zur Beweisführung jedoch mit illegalen Programmen (Hacker-/ Spionageprogramme) erhoben, verliert der erhobene Beweis vor Gericht seine Bedeutung. Deswegen oder weil die Verfahren häufig mit der Bezahlung einiger Tausend Euro eingestellt werden, kommt es meist nicht zu einem Gerichtsurteil.
Die GVU rät Eltern daher, “sich für die Aktivitäten ihrer Kinder am Computer und im Internet zu interessieren. […] Auch technische Hilfsmittel, wie Parental Control Programme oder der Digital File Check, mit welchem Tauschprogramme aufgespürt und bei Bedarf gelöscht werden können, sind potentiell hilfreich. Eltern sollten in jedem Fall bei Verdacht auf illegales Filesharing und Co. den Rechner auf Viren, Trojaner, Würmer usw. scannen, da solche ‘Schadsoftware’ häufig gezielt in Raubkopien versteckt wird.” Wenn es dennoch zu einer Anklage kommt, sollten sich Eltern auf alle Fälle an einen entsprechenden Fachanwalt wenden, der sich unter anderem auch mit den technischen Möglichkeiten auskennt.
Abschließend bleibt, trotz aller Kritik an der kampagnengestützten Hochstilisierung seitens der Unterhaltungsindustrie, festzuhalten: Illegales Kopieren “geistigen Eigentums” ist prinzipiell strafbar. Es muss jedoch differenziert werden: Nicht jeder Jugendliche, der kopiert, ist auch automatisch ein Verbrecher.
Frederic Breitrück
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