Die Tanzpädagogin Rebecca Reh hat in Zusammenarbeit mit der Kreisjugendmusikschule Stade (Niedersachsen) ein Projekt entwickelt, das bereits mehr als 1200 Schüler in Niedersachsen erreicht. Ein wöchentlicher Unterricht zur Bewegungserziehung soll die motorische und kognitive Erziehung der Schüler fördern. In einem Interview konnte medienbewusst.de Näheres über das Projekt “Musik und Tanz” erfahren.
Welche verborgenen Stärken will Ihr Vorhaben bei den Kindern wecken?
Wir möchten, dass bei den Kindern durch die tänzerischen Qualitäten ein soziales Miteinander geprägt wird. Aber auch die körpereigene Wahrnehmung, das Selbstempfinden sowie das empathische Verhalten und Musikalität sollen dabei geschult werden.
Welchen Umfang hat das Projekt?
Das Projekt startet bei uns zum Teil schon im Kindergarten, da die Grundsteine schon sehr früh gelegt werden müssen. Dies betrifft vor allem Regeln und Rituale, die die meisten Kinder heutzutage zu Hause leider nicht mehr haben. In der Grundschule können diese ersten Grundsteine ausgebaut werden. In den weiterführenden Schulen nennt es sich dann nicht mehr „Musik und Tanz“, sondern geht dann in den Hip Hop- oder Musical-Bereich über.
Wie viele Schulen haben das Angebot bereits angenommen?
Im gesamten Land Niederachsen ist unser Projekt bereits an zehn Schulen vertreten. Insgesamt ist es immer ein sehr hoher bürokratischer Aufwand, das Projekt an den Schulen einzuführen, da es u.a. mit einem kleinen Unkostenbeitrag verbunden ist. Aufgrund von Raumproblemen können an manchen Schulen auch nur die ersten und zweiten Klassen am Projekt teilnehmen.
Soll das Projekt in Niedersachsen weiter ausgebaut werden? Kann es möglicherweise auch bundesweit zum Einsatz kommen?
Von unserer Seite sehr gerne. Ich persönlich habe einen engeren Kontakt zur Landesschulbehörde aufgebaut. Problematisch ist es jedoch immer, wenn es um Projekte geht, die zwar erfolgreich sind, aber auch finanzielle Mittel benötigen. Dort sind die Tore noch nicht so weit geöffnet, wie ich es mir wünsche bzw. der Etat für Kooperationsprojekte noch zu gering. Momentan werden wir zwar vom Kultusministerium geduldet, aber noch nicht ganz akzeptiert.
Warum gehen die Tanzpädagogen in die Schulen und bieten diesen Unterricht nicht in Kursen über die Musikschule an?
Uns ist aufgefallen, dass man im Nachmittagsunterricht nur die Kinder erreicht, die ambitioniert sind und Eltern haben, die sich diesen höheren monatlichen Beitrag leisten können. Aufgrund dessen möchten wir den Unterricht an den Schulen anbieten, um alle Kinder erreichen zu können. Wenn man das Sozialverhalten eines Kindes verbessern möchte ist es darüber hinaus hilfreich, es in dem Umfeld zu tun, mit dem es den meisten Kontakt hat. Zusätzlich ist der Unterricht in Deutschland immer noch sehr „unbewegt“, da oftmals Raumkapazitäten an den Schulen fehlen. Kleine Räume, große Schulklassen und zwei wöchentliche Sportstunden sind z.B. Faktoren, die Bewegung in der Schule nur bedingt zulassen.
Wie sieht die inhaltliche Planung der Unterrichtsstunden aus?
Das ganze Projekt hat einen festen Stoffplan. Dieser wird dann in einzelne Themen verpackt. In Klasse eins und zwei sind diese noch sehr bildhaft. In Klasse drei und vier werden sie immer abstrakter. Wie dieser Stoffplan im Einzelnen umgesetzt wird, können die Tanzpädagogen individuell auf ihre Lerngruppe zuschneiden. In der wöchentlichen Unterrichtsstunde erhalten die Klassenlehrer die Möglichkeit, jeden ihrer Schüler und sein Verhalten in der Lerngruppe aus einer anderen Perspektive zu beobachten. Auch der Austausch der Tanzpädagogen mit den Lehrkräften spielt dabei eine wichtige Rolle.
Beobachten Sie Fortschritte bei den Schülern?
Insgesamt ist zu beobachten, dass die Gewaltbereitschaft und Streitereien zwischen den Schülern zurückgehen. Außerdem wird ihre Selbstwahrnehmung geschult. Momentan haben wir jedoch noch wenige Vergleichsmöglichkeiten und können nicht sagen, wie groß der Einfluss auf das Verhalten der Schüler ist.
Haben die Eltern die Möglichkeit, Einblick in den Unterricht zu bekommen?
Es gibt einmal im Jahr eine gemeinsame Aufführung, die die Eltern besuchen können. Darüber hinaus wird es von Schule zu Schule sehr unterschiedlich gehandhabt. Die Tanzpädagogen sind aber darum bemüht, den Eltern einen Einblick zu geben, sei es durch allgemeine Hospitationsangebote oder gezielte Einladungen z.B. nach Abschluss einer Einheit. Dabei wird den Eltern erklärt, was sich jeweils hinter dem Unterricht verbirgt und welche Anforderungen an ihre Kinder gestellt werden. Bislang ist die Resonanz, sowohl der Eltern als auch der Kinder, sehr positiv.
medienbewusst.de bedankt sich bei Rebecca Reh für das Interview und wünscht weiterhin viel Erfolg.
Justus Wyremba