Mobiles Internet, Fotos in immer höherer Qualität, Handyortung…das Handy scheint technisch schier unbegrenzte Möglichkeiten zu bieten. Nun wagen sich das Fraunhofer Institut für graphische Datenverarbeitung (IGD) und die Inselklinik auf Usedom gemeinsam an ein anderes Problem: Sie entwickeln ein Gerät, das übergewichtigen Kindern beim Abnehmen helfen soll. Bietet das mobile Telefon auch hierfür eine Lösung?
Zum Einsatz kommen hierbei Spezialhandys, die über Sensoren Bewegungen erkennen und in Kalorien umrechnen können. Dabei werden Bewegungsmustern unterschieden, wie beispielsweise Ruhe, Laufen oder Radfahren. Auf diese Weise kann für jeden Tag ermittelt werden, wie viele Kalorien der Proband verbraucht hat. Zusätzlich muss jede Mahlzeit mit dem Handy fotografiert und via MMS an einen Ernährungsberater weitergeleitet werden. Der Ernährungsberater kann auf Basis der Fotos erkennen, was und wann gegessen wurde. Auf dieser Grundlage kann er das Essverhalten auswerten und gezielte Hinweise und Empfehlungen geben. Die sonst üblichen, umständlichen Protokolle über Mahlzeiten entfallen für die Kinder und Jugendlichen.
Bei einer Studie wurden um die 100 Kinder und Jugendliche zwischen 11 und 17 Jahren zunächst für vier Wochen in der Inselklinik Heringsdorf auf Usedom untergebracht. Nach einer Einweisung in die Funktion der Handys wurden die Bewegungsabläufe und das Essverhalten beobachtet. Dazu bekamen die Kinder und Jugendlichen Unterstützung durch Ernährungsberater, um ein Verständnis für gesunde Ernährung und tägliche Bewegung zu entwickeln. Nach Ablauf der vier Wochen wurden ihnen die Handys mit nach Hause gegeben, um das Programm fortzuführen und die Unterschiede in Ernährung und Bewegung im eigenen zu Hause festzustellen. Die Kinder und Jugendlichen erhalten in ihrem normalen Alltag somit eine Rückmeldung über ihre Bewegung, ihre verbrauchten Kalorien und ihr Essverhalten. Dies soll sie beim Abnehmen unterstützen. Hierfür macht das Handy sogar auf eine zu lange Ruhepause ohne Bewegung aufmerksam. Wenn das Tagesziel erreicht ist, gibt es Lob per SMS oder virtuelle Medaillen.
An sich ist dieses Diät-Konzept sehr innovativ und bettet neue Technologien ein, um übergewichtigen Kindern und Jugendlichen beim Abnehmen zu helfen. Ein Problem bleibt jedoch bestehen. Auch diese Diät hängt vom eigenen Ehrgeiz ab. Nur Selbstdisziplin und der Wille, abzunehmen gewährleisten, dass Kinder und Jugendliche auf die Informationen des Handys eingehen und alle ihre Malzeiten fotografieren. Somit ist auch die Handy-Diät kein Wundermittel, das jedes übergewichtige Kind und jeden übergewichtigen Jugendlichen zum Abnehmen bringt. Es ist nur ein weiterer Schritt, um mit technischen Hilfsmitteln zu helfen.
Ob die Technikgläubigkeit und das ständige Abgeben von Kontrolle, über das eigene Leben an andere, die Lösung aller Probleme ist bleibt fraglich. Die Technik kann hier nur unterstützen, nicht jedoch das Bewusstsein ersetzen oder die Verantwortung der Eltern mindern.
Bisher handelt es sich noch um eine Studie. Ende des Jahres soll die Entwicklung abgeschlossen und das Spezialhandy marktreif sein, um weiteren übergewichtigen, jungen Menschen helfen zu können.
Jens Bernd Schmeling
Bildquelle:
Alfred Teves Schule
(Anm. d. Red.: Bei dem oben dargestellten Gerät handelt es sich nicht um das im Artikel behandelte Handymodell)