Neuneinhalb feiert 10. Geburtstag mit großer Umfrageaktion


Zum 10. Geburtstag startete das junge ARD/WDR-Reportermagazin neuneinhalb mit Unterstützung der Bundeszentrale für politische Bildung eine große Umfrageaktion. Bis zum 14. Juni konnten Kinder online unter www.neuneinhalb.wdr.de ihre „wichtigsten Themen der Welt“ nennen. Anschließend werden aus allen Einsendungen die Top 10 der wichtigsten Themen der Welt aus Sicht der Kinder gekürt. neuneinhalb wird die wichtigsten Themen in verschiedenen Sendungen aufgreifen.
medienbewusst.de hat sich mit Johannes Büchs unterhalten, der seit fünf Jahren als Reporter für neuneinhalb unterwegs ist.

 

Herr Büchs, erklären Sie unseren Lesern doch einmal kurz, um was es bei dem TV-Format neuneinhalb geht.
Es geht darum, gesellschaftspolitische Themen Kindern so zu erklären, dass sie diese verstehen und ein Bewusstsein bekommen für wichtige Dinge, die es in ihrer Lebenswirklichkeit gibt und die eine Auswirkung auf die Gesellschaft haben und umgekehrt.

Welche Altersgruppe wollen Sie mit dem Format erreichen?
Die älteren Kinder bis 13 Jahre, aber Kinder sind ja ganz unterschiedlich. Es gibt viele Kinder, die sich schon früh für Umweltthemen interessieren, weil ihnen zum Beispiel das Leid von Tieren sehr nahe geht. Dann ist es nicht schlimm, wenn man neuneinhalb auch schon mit sechs oder sieben guckt. Bei manchen, vielleicht älteren Kindern, muss man vielleicht erst das Interesse für gesellschaftspolitische Themen wecken. Das ist etwas, das wir gerne tun. Und schließlich gibt es manche Erwachsene, die es gut finden, Sachen einfach erklärt zu bekommen. Kernzielgruppe sind die Acht- bis 13-Jährigen, wir haben aber kein Problem damit, wenn man uns auch noch mit 99 Jahren schaut. In Gästebucheinträgen oder in E-Mails an die Redaktion ist auch häufig der erste Satz “Ich bin eigentlich ja nicht eure Zielgruppe, aber ich schaue die Sendung sehr gerne…”. Die letzte Sendung, die ich zum Beispiel gemacht habe, ging über eine Alzheimer Patientin. Das ist natürlich auch ein Thema, was ein Enkelkind interessiert, aber auch eine pflegende Tochter oder einen pflegenden Sohn.

Wie war das für Sie, zum ersten Mal als neuneinhalb-Reporter Kindern ein komplexes Thema wie das Grundgesetz näher zu bringen?
Ich interessiere mich selbst für politische und gesellschaftliche Themen, sodass ich es ganz toll finde, wenn ich das, was ich erfahren und herausfinden darf, weitergeben kann. Das macht mir sehr viel Freude. Von vornherein war das einfach ein Traumjob. Das Erstaunliche beim Kinderfernsehen ist auch, dass diejenigen, die mit einem zu tun haben, einem eine besondere Liebe, Offenheit und Zuwendung entgegenbringen. Wenn man sagt, man macht Kinderfernsehen, dann haben Interviewpartner oft eher und mehr Zeit und geben sich auch viel Mühe. Es gibt in unserer Gesellschaft eine unausgesprochene Regel und die heißt: Für Kinder machen wir das besonders gerne. Das finde ich großartig!
Manchmal macht der Reiz des Jobs auch aus, einfache und ganz entlarvende Fragen stellen zu dürfen. Beispielsweise habe ich damals bei der Finanzkrise den Chef der Deutschen Bank gefragt “Haben Sie eigentlich selbst Schulden?”. Das würde ein Journalist einer Erwachsenen-Sendung vermutlich nicht fragen. Übrigens hatte Dr. Mayer keine Schulden, sondern fand sie sogar doof.

Wie unterscheidet sich die Aufbereitung eines Themas für neuneinhalb im Gegensatz zu Formaten für Erwachsene wie beispielsweise Panorama?
Unsere Sendung ist immer monothematisch, das heißt wir schaffen es, uns auf ein Thema zu konzentrieren. Obwohl man dann mit einem Thema auch ganz viele andere Sachen berührt. Die Reduzierung ist auch eine große Stärke, wir lassen viele Sachen links und rechts weg, um Kernpunkte zu treffen. Auch bei der Formulierung ist die Reduzierung wichtig. Wenn ich meine Moderation vorbereite, dann muss das immer sehr einfach sein und wenn ich Wörter benutze, die zu kompliziert sind oder mir eine Frage rausrutscht, die zu kompliziert ist, korrigieren mich die Autoren zum Glück ganz penibel. Wir nehmen dann einen Take gerne auch noch einmal auf. Auch wenn ein Interviewpartner zu kompliziert antwortet, dann frage ich gerne nach, wenn er ein Fremdwort benutzt oder wir nehmen es noch einmal auf, indem wir als Reporter beispielsweise ein anderes Wort für “absorbieren” benutzen. Wir legen auch großen Wert darauf, dass die Themen in irgendeinem Bezug zur Lebenswirklichkeit der Kinder gebracht werden. Wir haben beispielweise über das Thema Organspende eine Sendung gemacht, da hatten wir ein Kind, dass nur ein halbes Herz hat und das Kind hat erzählt, dass es auch viel über den Tod nachdenkt. Wenn wir Kinderprotagonisten haben, dann ist das für Kinder so viel stärker, als wenn das ein 60-jähriger ist. Letztendlich sind es mehrere Ebenen: Auf der einen suchen wir die Berührungspunkte zu der Lebenswirklichkeit der Kinder, auf der anderen formulieren und fragen wir einfacher, wir suchen nach Kinderprotagonisten und wir haben auch eine Sicht auf die Dinge wie Kinder.

In Ihrer aktuellen Mit-mach-Aktion suchen Sie nach den wichtigsten Themen der Welt aus Sicht der Kinder. Was sind für Sie die wichtigsten Themen der Welt, wie würden Sie abstimmen?
Ein Thema das mir ganz stark am Herzen liegt, ist Europa. Ich weiß jetzt nicht, ob es das wichtigste Thema der Welt ist, vielleicht in meiner Welt. Ich glaube, dass noch so viel Musik in der Europäischen Einigung ist und wir noch ganz viel vor uns haben. Es ist einfach noch eine riesige Baustelle auf unserem Kontinent. Ich glaube, sehr viele Themen haben auch mit der europäischen Einigung zu tun und dem Prozess, den wir noch vor uns haben.

Was erhoffen Sie sich von der Umfrage?
Es ist erst einmal toll, weil wir ein Stimmungsbild von den Kindern bekommen und natürlich wollen wir auch Sendungen dazu machen. Es gibt auch rege Rückmeldungen, obwohl das ja eigentlich gar nicht so einfach ist. Man fragt nach „Themen“ – das ist ja schon fast eine redaktionelle und journalistische Herangehensweise. Gerade deshalb finde ich es toll, dass es bis jetzt so viele Rückmeldungen gab, weil ich nicht unbedingt damit gerechnet habe. Vor allem dass Kinder so abstrakt denken können, aber man darf Kinder einfach nicht unterschätzen. Wir werden aus dem Schatz, der da kommt, schöpfen!

Wenn die Kinder nicht gerade wie bei der aktuellen Aktion selbst Themen nennen, nach welchen Kriterien suchen Sie die Themen für neuneinhalb aus?
Das ist ein langer Abstimmungsprozess, in dem es viele Beteiligte gibt, die Ideen spenden dürfen. Es gibt die Möglichkeit für alle neuneinhalb-Reporter, Themen vorzuschlagen, es gibt natürlich eine Redaktion und eine Redaktionsleiterin. Die einzelnen Autoren dürfen vorschlagen, auch die verantwortliche Redakteurin vom WDR, Manuela Kalupke, schlägt Themen vor. Es sind natürlich häufig Dinge, die uns zugesetzt sind. Also es gibt Themen auf der Agenda, die so präsent in den Medien sind, dass sich Kinder auch fragen: „Wieso ist das denn so wichtig, wer amerikanischer Präsident wird?“ Da sehen wir uns verpflichtet, das Thema aufzugreifen. Dann gibt es Aktualitäten, die nicht so planbar sind, zum Beispiel eine Katastrophe wie Fukushima oder eine Überschwemmung. Aber an so ein Thema gehen wir dann etwas anders heran, da machen wir weniger Berichterstattung, sondern zeigen eher eine Sicht aus der Kinderperspektive – „Was kann man da machen, wie kann man helfen?“. Dann gibt es natürlich auch aktuelle politische Themen, wie die Ukraine, da zwingt uns einfach die Aktualität, das Thema aufzugreifen. Dann gibt es Themen, die wir selbst setzen können. Wir haben zum Beispiel gerade eine neue Sendung gemacht zum Thema Lichtverschmutzung. Das ist eigentlich auf der journalistischen Agenda nicht so hoch, da nehmen wir uns aber die Freiheit raus und sagen: „Das ist interessant, das interessiert auch Kinder“. Momentan passiert sehr viel mit Straßenlaternen und LED-Technik, wodurch man nicht nur Energie sparen kann, sondern auch andere Lichtfarben einsetzt, um zum Beispiel Tiere und Insekten nicht zu irritieren. Manchmal kommen die Themen auch aus der eigenen Lebenswirklichkeit. Zum Beispiel wie das ist, wenn man für eine Weile nur Fastfood isst oder ich habe vor kurzem zwei Tage auf alle Plastikgegenstände im Alltag verzichtet. Wenn man also Lust an einem Selbstversuch hat, ist das auch möglich. Eigentlich sind keine Grenzen gesetzt und es gibt vielerlei Inspirationen. Letztendlich ist die Auswahl das Schwierige, weil wir immer mehr Themen haben, als wir Sendungen machen könnten.

 

medienbewusst. de bedankt sich bei Johannes Büchs für das Interview und wünscht weiterhin viel Erfolg mit neuneinhalb.

Zu sehen ist „neuneinhalb – Deine Reporter“ jeden Samstag im Ersten (8.25 Uhr), jeden Sonntag bei KiKA (8.50 Uhr) und jederzeit online unter www.neuneinhalb.wdr.de. neuneinhalb ist eine Produktion von tvision GmbH im Auftrag der ARD unter Federführung des WDR für Das Erste und den KiKA. Redaktion WDR: Manuela Kalupke.

Nadja Müller

Bildquelle:
© WDR / Melanie Grande