Skandale und Normverstöße im TV


Seit dem Jahr 2000 steigt die Zahl der Reality-Formate und Castingshows. Deutsche Fernsehsender bieten eine breite Palette von Sendungen wie „Deutschland sucht den Superstar (DSDS)“, „Germany’s next Topmodel (GNTM)“ oder „Big Brother“ an. In diesem Zusammenhang nimmt auch die Skandalisierung im Fernsehen zu. medienbewusst.de hat sich den Trend etwas genauer angeschaut.

Beim „Zappen“ durch die deutschen Fernsehsender findet man heute etliche Reality-Formate. Auch bei vielen Kindern sind Sendungen wie DSDS oder GNTM beliebt, doch oft wissen sie nicht, dass diese Formate sozusagen von Tabubrüchen leben und können dementsprechend nicht damit umgehen. Zu einem Skandal werden Normverstöße dann, wenn sie zu einer öffentlichen Auseinandersetzung mit allgemein geltenden sozialen Regeln führen. Vor allem in Reality-Formaten, die das „echte Leben“ von “Alltagsmenschen“ darstellen, bieten den Zuschauern zahlreiche Verstöße. Das dargestellte „reale Leben“ spielt sich jedoch in einer von den Medien geschaffenen Umwelt ab. Die in Sendungen enthaltenen Normverstöße werden somit bewusst von den Medien inszeniert, um die Aufmerksamkeit der Zuschauer zu gewinnen. Diese sogenannten Medienskandale werden also von den Medien gestaltet. Sie verfolgen das Ziel lange im Gedächtnis der Zuschauer zu bleiben und möglichst viele Diskussionen in der Öffentlichkeit auszulösen.

Hier stellt sich nun die Frage, warum viele Sendungen vermehrt auf diese Strategien zurückgreifen. Aufgrund des starken Konkurrenzdrucks der Sender ringen sie regelrecht um die Aufmerksamkeit ihrer Zuschauer. Dadurch wird versucht, sich von allen anderen abzuheben und die eigenen Einschaltquoten sowie Gewinne zu steigern. So zeigte sich nach Angaben der Landesmedienanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen (LfM), dass die RTL-Zuschauer der Sendung DSDS im Jahr 2009 mehr „grenzüberschreitende Szenen“ gesehen haben als noch drei Jahre zuvor. Als „grenzüberschreitende“ Szene werden solche verstanden, in denen die Privatsphäre der Akteure öffentlich im Fernsehen verletzt wird durch Zurschaustellung und Beleidigungen.

Die öffentliche Darstellung von Privatem oder Intimem findet sich seit etwa zehn Jahren verstärkt in deutschen Fernsehformaten. Nicht selten sind auch Kinder und Jugendliche Opfer öffentlicher Zurschaustellung. So werden Castingshow-Kandidaten von DSDS durch zum Teil beleidigende Kommentare von Juror Dieter Bohlen herabgewürdigt. Die Kernergebnisse der LfM-Studie zeigen jedoch, dass hauptsächlich in den ersten vier Folgen der dritten Staffel DSDS aus dem Jahr 2005/2006 Provokationen auftraten. Danach nahmen die Beleidigungen ab. Im Vergleich zum Jahr 2009 waren eine weit höhere Anzahl provokativer Elemente in der Sendung zu finden. Diese erstreckten sich im Gegensatz zur Staffel drei über die gesamten Folgen. Auch in anderen Shows, wie GNTM gelangt Privates der Kandidatinnen in den Fokus der Öffentlichkeit. Die vermehrte Darstellung von Sexualität ist ebenfalls eine Strategie der Skandalisierung, die besonders auch bei der Sendung „Big Brother“ zu finden war. Auch „die Ausbeutung von Gefühlen und die bewusste Produktion von Gefühlsausbrüchen“, die unter anderen bei Formaten wie „Die Super Nanny“ oder „Raus aus den Schulden“ zu finden sind, werden medial aufbereitet. Aber auch andere Dokusoaps, Beziehungsshows wie „Verzeih mir“ (RTL) oder auch Beziehungs-Game-Shows wie „Bauer sucht Frau“ (RTL) gehören zu den Reality-Formaten, die Privates an die Öffentlichkeit kehren.

Doch wie kann mit diesen Formaten umgegangen werden?

Kinder und Jugendliche tauschen sich über Fernsehsendungen auf dem Schulhof aus. Sie fürchten oft, ausgegrenzt zu werden, wenn sie nichts zum Gespräch beitragen können. Deshalb ist ein generelles Verbot bestimmter Fernsehformate keine optimale Lösung. Allerdings muss dabei nicht jede Sendung aus Elternsicht akzeptiert werden. So können Serien, Filme und Castingshows gemeinsam mit den Kindern angesehen werden. Hilfreich ist es dann sich hinterher über das Gesehene auszutauschen. Zudem ist es wichtig, den Kindern und Jugendlichen bewusst zu machen, dass die im Fernsehen dargestellte Realität nicht der tatsächlichen Realität entspricht. So lernen sie Inszenierungsstrategien der Medien zu erkennen und zu durchschauen. Außerdem entwickeln sie durch das „kritische Sehen“ eigene Kriterien zur Bewertung der Qualität von Medienangeboten. Hierzu hilft es auch, gemeinsam mit den Kindern moralische Grenzen abzustecken.

Weitere Ergebnisse der Studie „Skandalisierung im Fernsehen – Strategien, Erscheinungsformen und Rezeption von Reality TV Formaten“ der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen.

Fabienne von der Eltz

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