Wenn der Kinosaal zum Klassenzimmer wird


Fragt man Kinder und Jugendliche heutzutage nach ihren liebsten Freizeitbeschäftigungen, so steht eine stets mit ganz oben auf der Liste: „Ins Kino gehen“. Doch was für die meisten nur ein schöner Zeitvertreib mit Freunden ist, kann aus pädagogischer Sicht die schulische Ausbildung der Generation von Morgen tatkräftig unterstützen. Die vom Netzwerk „Vision Kino“ initiierten „SchulKinoWochen“ sind ein gutes Beispiel dafür.

Die Bildungsinitiative „Vision Kino“ entstand aus einer Zusammenarbeit vom Kulturstaatsministeriums des Bundes unter Führung von Kulturstaatsministerin Christina Weiss sowie der Filmwirtschaft und der Bundeszentrale für politische Bildung. „Mit Blick auf andere europäische Länder bestand konkreter Handlungsbedarf“, so Sarah Duve, Geschäftsführerin von „Vision Kino“. Der eigens dafür einberufene Kongress „Kino macht Schule“ im Jahre 2003 endete mit einer richtungweisenden Abschlusserklärung, die unter anderem „die Einrichtung einer zentralen Agentur zur Vermittlung von Filmerziehung an Schulen“ zum Ziel hatte, so Duve weiter.

Eine der wichtigsten Errungenschaften des so gegründeten Netzwerkes für Film- und Medienkompetenz sind die „SchulKinoWochen“. „Sie stellen ein bundesweites Angebot dar, welches jährlich je nach Bundesland zwischen Herbst- und Weihnachtsferien oder in der ersten Jahreshälfte bis Ostern stattfindet“, erklärt Michael Jahn, Projektleiter der SchulKinoWochen. In diesem Zeitraum bieten alle Kinos des Bundeslandes vormittags Schulvorstellungen an. Die dort gezeigten Filme sind ausgestattet mit pädagogischem Begleitmaterial, welches zur Vor-und Nachbereitung des Gesehenen dient. Die Schüler haben so die Möglichkeit, sich im Gegensatz zu normalen Kinobesuchen bewusster mit den gezeigten Inhalten auseinander zu setzen. Als herausragendes Merkmal sieht Jahn dabei die „besonderen Rezeptionsmöglichkeiten“. Während im normalen Schulbetrieb die Filme in „halb abgedunkelten Klassenräumen auf kleinen Fernsehern im 45 Minuten-Takt“ konsumiert werden, könnte man mit Hilfe der „SchulKinoWochen“ die Kinder an das Kino mit seinen idealen Ton- und Bildbedingungen heranführen.

Dass die „SchulKinoWochen“ auch das ein oder andere Mal dankbar angenommen werden, um lediglich dem schulischen Alltag entfliehen zu können und den Kindern lieber Filme präsentiert werden, als selbst den Unterricht zu leiten, mag aus erzieherischer Sicht durchaus fraglich erscheinen. Auch gibt es sicherlich noch andere Formen der Wissensvermittlung abseits des Kinosaales. So können beispielsweise innerhalb des regulären Schulunterrichts besonders in geisteswissenschaftlichen Fächern wie Deutsch, Geschichte oder Religion die erarbeiteten Theorien und Grundlagen mit Hilfe Theater- oder Museumsbesuchen vertieft werden.

Ein Bespiel aus Hessen zeigt aber auch, wie die „SchulKinoWochen“ die Kreativität der Schulbankdrücker fördern kann. In Frankfurt am Main haben knapp 30 Chorkinder der PHORMS Schule im März 2010 nach mehrmonatiger Vorbereitung den Stummfilm „Däumelinchen“ live vertont. Dabei wurde der zehnminütige Film mit Musik, Geräuschen und Dialog versehen – alles synchron zum Geschehen auf der Leinwand. „Die Kinder haben so gelernt, wie viel Arbeit hinter einem Film steckt“ berichtet die Chorleiterin Cristina Follmer stolz.

Insgesamt stellen die „SchulKinoWochen“ ein gut durchdachtes Modell für Annäherung von Kino und Kindern dar. Die Aktivität der Heranwachsenden wird gefördert und ihnen wird vermittelt, welchen Stellenwert das Kino als Ort der uneingeschränkten Filmrezeption besitzt. In einigen Bundesländern fanden die diesjährigen SchulKinoWochen bereits statt, in den neuen Bundesländern werden hingegen im November und Dezember wieder die Kinosäle für Schülerinnen und Schüler geöffnet. Auf dem Programm stehen dann neben Klassikern wie „Emil und die Detektive“ und „Effi Briest“ auch Leinwandabenteuer wie „Die Chroniken von Narnia“ oder „Unsere Erde“. Davon abgesehen können Kinder und Jugendliche aber auch weiterhin ganz ohne pädagogischen Hintergedanken in ihrer Freizeit ins Kino gehen – machen die Erwachsenen ja schließlich genauso.

Manuel Mohr

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