Wie die Wissenschaft herauszufinden versucht, ob Gewalt in den Medien gefährlich ist


Die Medienlandschaft zeigte sich in den letzten Jahren uneinig darüber wie Gewalt in den Medien, allen voran die Videospiele, wirkt. Mal ist es so, dass Sorgen im Großen und Ganzen unangebracht sind, mal genau das Gegenteil. Was ist richtig? Das eindeutig zu beantworten ist nicht so einfach.

Die Wirklichkeit ist eben kompliziert und Menschen ganz besonders. Psychologen und Sozialwissenschaftler würden Fragen darüber, was der Mensch so macht und warum sicher gerne mit der gleichen Sicherheit beantworten, mit der Chemiker und Physiker Fragen über Atome beantworten. Doch mit eine paar Gleichungen lässt sich kein Gehirn erklären. Und was so passiert, wenn mehrere Gehirne aufeinandertreffen schon gar nicht.

Die Frage, ob und welche Wirkung Gewalt in den Medien vor allem auf Kinder hat, ist aber nicht einfach nur interessant, sondern auch gesellschaftlich relevant. Wie kann sie beantwortet werden? Zur Mediengewalt lieferten zahlreiche Experimente in den letzten fünfzig Jahren die überzeugendsten Ergebnisse. Nur wie?

So zum Beispiel: 1999 führten die beiden amerikanischen Sozialwissenschaftler Dolf Zillmann und James B. Weaver ein Experiment zur Wirkung von Gewalt in den Medien durch. Eine zufällig ausgewählte Gruppe unwissender Studenten sah sich vier Tage hintereinander gewalthaltige Filme an, eine andere harmlose. Wie kann herausgefunden werden, ob die eine Gruppe danach aggressiver ist als die andere?

Das ist kein leichtes Problem, aber die amerikanischen Soziologen haben sich Folgendes ausgedacht: Einen Tag später haben all diese Studenten an einer Studie teilgenommen, welche anscheinend nichts mit den zuvor gesehenen Filmen zu tun hatte. Dort wurden die Studenten dann – wieder ganz zufällig – entweder beleidigt oder ganz normal behandelt. Wenn sich die Studenten danach ihre Belohnung für die Teilnahme abgeholt haben, wurden sie gebeten den wissenschaftlichen Mitarbeiter, der sie gerade nicht besonders nett oder normal behandelt hat, einzuschätzen. Er sei neu an der Uni und suche finanzielle Unterstützung – ob er sie bekommt hänge von der Bewertung ab.

Die Teilnehmer des Experiment hatten also die Chance den wissenschaftlichen Mitarbeiter zu bestrafen oder zu belohnen. Und wenn die Studenten, welche die brutalen Filme gesehen haben öfter bestrafen – ob provoziert oder nicht – als diejenigen, welche die harmlosen Filme gesehen haben, ist es doch wohl so, dass Gewalt in Filmen zu Aggressivität führt. Tatsächlich hat sich beim Experiment dieser Zusammenhang gezeigt. Nur was bedeutet solch eine Erkenntnis?

Sicher nicht, dass Gewalt in den Medien immer zu Aggressivität führt, aber eben manchmal. Wenn viele Tausend Menschen den gleichen Film ansehen oder das gleiche Spiel spielen, kann solch ein kleiner Effekt schon große Wirkung haben. Was bleibt, ist der Zweifel, ob ein sehr künstliches Experiment wirklich gute Aussagen über die Wirklichkeit treffen kann. Solcher Zweifel lässt aber außer Acht, dass ein Experiment nie für sich alleine steht. Dem eben beschriebenen Experiment sind zahlreiche ähnliche Untersuchungen vorausgegangen und nachgefolgt. Alle veränderten die Bedingungen ein bisschen – mal waren sie langfristiger angelegt, mal mit Kindern, mal wurde Aggressivität anders gemessen.

Immer mit ähnlichen Ergebnissen: Manchmal machen gewalthaltige Spiele, Filme oder Serien tatsächlich ein wenig aggressiver. Durch hartnäckiges Wiederholen und verbessern der Studien hat sich die Forschung dieses Ergebnis in den letzten fünfzig Jahren erkämpft. Geht es noch besser? Kaum. Schon aus ethischen Gründen können Wissenschaftler nicht ein paar Leute regelmäßig und über Jahre hinweg gewalthaltigen Medien aussetzen, nur um zu sehen, wie das so wirkt.

Was das alles bedeutet – dazu kann Forschung wenig beitragen. Das ist eine Frage, mit der sich die Politik beschäftigen muss. Und um die geht es oft, wenn Medien in letzter Zeit über Gewalt in den Medien und „Killerspiele“ berichten. Da verursachen dann gewalthaltige Videospiele immer gleich Aggressivität, sobald eine Studie einen kleinen Effekt findet. Oder aber Videospiele sind gleich völlig harmlos, wenn ein Wissenschaftler seine Kollegen auf Dinge hinweist, die in zukünftigen Studien doch bitte besser laufen sollten.

Wahrheit ist immer sehr flüchtig und sich ihr anzunähern ist das große Ziel von Forschung. Oft wäre es schöner noch näher dran zu sein. Das ist auch bei der Wirkung von Gewalt in den Medien nicht anders. Forschung kann aber Politik und Eltern nur unterstützen und ihnen nicht die Verantwortung abnehmen.

Michael Kaltenecker