„Vorbild- und Kontrollfunktion der Eltern spielt eine große Rolle“


Daniel Schultheiss ist ein promovierter Kommunikations- und Medienwissenschaftler und seit 2007 am Institut für Medien und Kommunikationswissenschaft der Technischen Universität Ilmenau tätig. medienbewusst.de hat mit ihm über die Nutzung und das Erleben von Spielen im Internet gesprochen.

Herr Dr. Schultheiss, Computerspiele finden zusehends Verbreitung im Internet. Was macht das Erleben eines Onlinespiels so besonders?

Computer- und Onlinespiele haben tatsächlich längst den Massenmarkt erreicht und sind für die jüngere Generation häufig wesentlich attraktiver als klassische Medienangebote wie Bücher, Radio oder Fernsehen.
Zum Erleben von Onlinespielen gibt es bereits viele wissenschaftliche Erkenntnisse. Häufig dominieren der Wettbewerb, das Spielen in einer Gemeinschaft, ein gewisser Nervenkitzel, aber auch Elemente wie ein Gefühl der Entspannung das Spielerleben. Vor allem die beiden Erstgenannten sind bei fast allen Onlinespielen ausgeprägt.

Wie ist Ihr persönlicher Eindruck vom Nutzungsverhalten von Onlinespielen – im Speziellen bei Kindern?

Es gibt ohne Frage Fälle von problematischem Nutzungsverhalten. Das ist aber nicht der Regelfall. Es ist nicht normal und sicher auch nicht wünschenswert, wenn Kinder täglich eine hohe Anzahl von Stunden Onlinespiele nutzen. Das gilt im Übrigen auch für alle anderen Medienangebote. Wichtig sind in diesem Zusammenhang zwei Dinge: zum einen die Medienkompetenz der Kinder. Diese ist in vielen Fällen noch unzureichend ausgeprägt, weil Mediennutzung in der Schule häufig zu spät und oberflächlich thematisiert wird. Zum anderen spielt die Vorbild- und Kontrollfunktion der Eltern eine große Rolle.

Welchen Spieltyp bzw. welches Genre würden Sie Kindern und Heranwachsenden für den Einstieg in die „Onlinespielewelt“  empfehlen?

Abgesehen von den Altersbeschränkungen der USK, würde ich hier keine weiteren harten Einschränkungen vornehmen. Die bewusste Nutzung sollte im Vordergrund stehen.

Die meisten Spiele im Internet bieten neben einer Chatfunktion auch die Möglichkeit Communities beizutreten. Inwieweit halten Sie den Beitritt des Kindes in eine Online-Community des jeweiligen Spieles für sinnvoll bzw. sehen Sie Risiken dabei?

Online-Communitys von Spielen sind im Regelfall, wie jede nicht-virtuelle Gemeinschaft (z.B. Verein), sehr soziale Ansammlungen von Menschen mit ähnlichen Interessen. Das heißt, wenn ein Spiel eine Community bietet, spricht nichts gegen einen Beitritt. In manchen Online-Communities ist der Ton ein wenig rauer, weswegen Eltern durchaus ein Auge darauf haben sollten, ob sich das Kind in einem seinem Alter entsprechenden Umfeld bewegt. Ein weiteres Risiko besteht darin, dass man in Online-Gemeinschaften nicht immer sicher weiß wer sich hinter einem Psydonym (sog. Nickname) verbirgt. Hier ist es vor allem wichtig, mit den Kindern genau über diese Möglichkeiten zu sprechen.

Inwiefern beeinflussen Erfolgserlebnisse die Motivation der Spieler?

Motivationsfaktoren, die auf Leistung im Spiel oder Spielfortschritt abzielen, stehen nach den bisher durchgeführten Studien häufig gleichauf mit der sozialen Motivation. Beide Motivationen können also durchaus dazu führen, dass es zu problematischem Nutzungsverhalten kommt. In vielen Spielen ist es tatsächlich so, dass man durch einen hohen Zeitaufwand den eigenen Erfolg maximieren kann. Hier spielt erneut die bereits genannte Vorbild- und Kontrollfunktion der Eltern eine Rolle. Erfolg im Spiel muss nicht immer ein vorderer Platz in einer Rangfolge sein. So kann auch ein kleiner Teilerfolg innerhalb des Spiels das Spielvergnügen erhöhen.

Viele Internetspiele, besonders Browsergames, werben mit einem kostenfreien Zugriff. Gibt es Gefahren durch später auftretende Kosten für die Eltern oder ist die Nutzung für Minderjährige im Allgemeinen nicht möglich?

Free-2-Play-Spiele sind tatsächlich immer kostenfrei. Es bestehen jedoch verschiedenen Möglichkeiten sich Spielvorteile zu kaufen. Auch hier schadet ein klärendes Gespräch mit den Kindern nicht.
Außerdem könnte bei Bezahlmodellen mit Handy oder Smartphone (z.B. per SMS oder über Handyrechnung) Vorsicht geboten sein, da immer mehr Kinder bereits über ein eigenes Handy verfügen. Diese Funktionen sollten bereits von Seiten des Mobilfunkproviders deaktiviert werden.

medienbewusst.de bedankt sich bei Dr. Daniel Schultheiss für das aufschlussreiche Interview.

Marcel Seeber

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