Es ist eindeutig: “DSDS Kids” konnte die Zuschauer nicht überzeugen und wird wohl ein einmaliges Phänomen der RTL-Historie bleiben. Aber was geht in Kindern vor, die an einem solchen Casting teilnehmen? Was können die Kinder selbst und vor allem ihre Eltern tun? medienbewusst.de unterhielt sich mit Stefan Aufenanger, Professor für Erziehungswissenschaft und Medienpädagogik an der Universität Mainz, der in diversen wissenschaftlichen Einrichtungen tätig ist und Mitglied der EU-Expertengruppe “Media Literacy” war.
Professor Aufenanger, kommen wir direkt zum Thema: Haben Sie das neue RTL-Castingformat “DSDS Kids” geschaut?
Ja. Ich kannte das ja schon von früher von der Mini-Playback-Show in den 90er Jahren und deswegen hat mich das auch interessiert.
Was halten Sie denn von einer solchen Castingshow, besonders im Hinblick auf die sehr junge Teilnehmerschaft zwischen vier und vierzehn Jahren?
Also zum einen denke ich, ist das für die Kinder eine ganz interessante Herausforderung, wenn sie sich dort präsentieren. So werden sie auch selbstsicherer. Jedoch immer nur unter der Voraussetzung, dass die Eltern keinen Druck ausüben. Das heißt, es gibt viele Eltern, die sich mit ihren eigenen Kindern selber verwirklichen wollen, was sie selbst nie machen konnten. Die Kinder dürfen nicht unter Druck stehen. Es muss vielmehr von ihnen selbst kommen, es muss ihnen Spaß machen. Es darf auf keinen Fall Stress für sie bedeuten.
Also würden Sie sogar empfehlen, sich dort anzumelden wenn man talentiert ist und Spaß daran empfindet?
Ja. Dabei sehe ich keinerlei Einschränkungen.
Prof. Dr. Stefan Aufenanger
medienbewusst.de hat kritisch berichtet, da die teilnehmenden Kinder an dem Druck durch den Auftritt vor einem Millionenpublikum und die anschließende Kritik der Jury zerbrechen könnten.
Die Kinder können das häufig nicht richtig einschätzen. Sie gehen eher unbedarft damit um. Manchmal haben sie noch nicht einmal Lampenfieber, da sie es sich nicht vorstellen können, was es für sie bedeutet.
Also ist es sogar gut, dass die Kinder unwissend sind?
“Gut” finde ich es jetzt nicht. Ich will nur sagen, dass es ist nicht zwingend negativ zu sehen ist. Es müssen immer gewisse Voraussetzungen gelten, wie ich eben bereits sagte: kein Druck, keine Sanktionen.
Kann ich daraus ableiten, dass sich Kinder Ihrer Meinung nach durch eine Teilnahme besser entwickeln könnten?
Wenn Kinder selbstbewusst werden wollen, müssen sie natürlich lernen, mit bestimmten Situationen und Herausforderungen umgehen zu können. Eine Teilnahme bedeutet eben solch eine Herausforderung: sich vor einem großen Publikum, zusätzlich vor einer Jury zu präsentieren, etwas zu können und dafür gelobt oder kritisiert zu werden – wobei dort überwiegend gelobt wurde. Das viele Lob ist hier ein wenig kritisch zu sehen. Die Jury hätte an manchen Stellen deutlicher sagen können: “Da musst du noch ein bisschen üben” oder “Das ist dir nicht so gut gelungen”.
Also meinen Sie, dass die Kinder sogar mehr Kritik vertragen könnten?
Man muss die Kinder lernen lassen, mit Kritik umzugehen. Aber konstruktive Kritik. Es muss nicht so sein, wie bei den Erwachsenen. Wie ein Dieter Bohlen, der die Teilnehmer runter macht. Dann sollte er besser sagen: “Hör mal zu: Du hast ein gutes Lied gewählt, aber schau Dir doch mal diese Stelle beim Original an. Üb´ doch noch mal und nächstes mal klappt es vielleicht besser.”
Ein Sieger hingegen steht unweigerlich im Fokus der Medien. Die Liste von Kindern, die mit diesem Medienrummel nicht umgehen konnten ist lang: Britney Spears oder Macaulay Culkin (Kevin allein zu Haus), um nur einige zu nennen. Was gibt es für Tipps und wie können Kinder damit umgehen?
Für Kinder ist es wahrscheinlich sehr stressig, weil sie andauernd von einem Termin zum Nächsten geschubst werden. Eltern sind dann natürlich ganz stolz und die meisten versuchen auch, möglichst viel aus dieser kurzweiligen Popularität heraus zu schlagen. Deswegen ist es wichtig, dass man dem Sieger entsprechend professionelle Berater zur Seite stellt, die dann auch mal schützend eingreifen und sagen: “Das machen wir jetzt mal nicht.”
Bei wem liegt hier also die Hauptverantwortung?
In erster Linie bei den Eltern und in diesem Fall eben auch beim Sender. Damit die Situation nicht so extrem ausgeschlachtet wird und den Kindern auch entsprechende Medienmanager zur Seite gestellt werden. Man sieht meistens, dass das Übergangsphänomene sind. Der ganze Hype kann schnell vorbei sein und dann fällt man in ein Loch. Plötzlich ist man nicht mehr gefragt. Damit muss man umgehen können. Deswegen ist es ganz wichtig, dass man eine Gleichmäßigkeit herstellt, um dann wieder in ein normales Alltagsleben zurückkehren zu können.
Kann man pauschalisieren, ab welchem Alter Kinder mit dem Rampenlicht und einem möglichen Abstieg besser umgehen können?
So ab zwölf oder vierzehn Jahern müssten Kinder und Jugendliche damit umgehen können.
Zum Abschluss würde ich gerne wissen, auf was die jungen Zuschauer und deren Eltern bei diesem Auseinandersetzen mit Castingshows zu Hause beachten sollten.
Eltern sollten, wenn sie mit ihren Kindern so etwas schauen, darüber sprechen. Sie sollten ihnen beispielsweise klar machen, dass eine Teilnahme nicht einfach ist und eine besondere Herausforderung darstellt. So können die Kinder das vielleicht auch mit Geschwistern oder Freunden zu Hause nachspielen. Damit können sie so etwas erproben, ohne dass man ihnen aber gleich Hoffnung macht, auch ins Fernsehen zu kommen. Man sollte das auf der einen Seite konstruktiv nutzen können aber andererseits auch deutlich machen, wo Grenzen liegen. Man muss viel aushalten, wenn man das im Fernsehen machen will.
medienbewusst.de bedankt sich bei Prof. Aufenanger für das Interview und wünscht weiterhin viel Erfolg.
Leon Strohmaier
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Bildquelle:
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