Kinderfilme drehen? Na klar!


Jährlich entsteht, trotz mangelnden Ansehens, eine beachtliche Zahl an Kinderfilmen. Dabei gibt es nicht nur auf der Zuschauerseite Kinderfilmfans, sondern auch auf der Macherseite. Welche Motivation hinter dem Dreh von Kinderfilmen steckt, wollte medienbewusst.de genauer erfahren.

„Das Tolle ist natürlich, dass die Kinder auf eine Art unverbraucht sind, dass ihr Spiel sehr direkt ist, dass sie sich sehr auf eine Geschichte einlassen können“, gibt Johannes Schmid, Regisseur des Filmes „Blöde Mütze“, als einen Grund an, mit jungen Schauspielern zu drehen. Dass Kinder vor der Kamera unverbraucht wirken, liegt zum einen daran, dass sie bisher nicht so viel Stress am Set erlebt haben und zum anderen, dass sie, laut Schmid, oft ehrlicher als Erwachsene spielen. Auch sind Kinder offen genug, um auf Lächerlichkeiten im Drehbuch aufmerksam zu machen.

Karola Hattop, Regisseurin der Filme „Wer küsst schon einen Leguan?“ und „Prinz und Bottel“, lässt sich zum Beispiel von den Kindern die Geschichte erzählen. Junge Menschen haben am Gestaltungsprozess teil und werden ernst genommen. „Was ich immer ganz schlimm finde, ist, wenn ich im Fernsehen oder im Kino Kinder sehe, die zwar unheimlich niedlich aussehen, aber überhaupt nicht verstehen, was sie spielen“, so Hattop. Gerade auch weil Kinder vor der Kamera ehrlicher spielen und einen “Hauch Dokumentarfilm” mitbringen, wie Hattop meint, braucht es Feingefühl, um mit diesen umzugehen. Das ist nur einer der Gründe, weshalb der Kinderfilm in Skandinavien höher angesehen ist, als in Deutschland. „In Skandinavien ist es eine Auszeichnung, wenn man als Filmregisseur einen Kinderfilm machen darf“ gibt Schmid an.

Die Kinderfilmszene in Deutschland ist hingegen nicht allzu groß. Eine Förderung ist schwierig, die Gewinne nicht gerade erklecklich. Es gibt einen Markt für große Kinderfilme. Solche Filme, die meist nur auf Entertainment und auf Gewinne abzielen. Independent-Filme, also Filme von unabhängigen Filmemachern, sind hingegen meist nur dem Alleingang der Filmemacher zu verdanken. Das Publikum in Deutschland nimmt Kinderfilme oft nicht ernst und ordnet diese eher einer Randgruppe zu.

„Natürlich leidet der Kinderfilm in Deutschland unter der bestimmten Wahrnehmung, dass er dem Spielfilm für Erwachsene hinterherhinkt“, erklärt Schmid. So machen junge Filmfans bis 16 Jahre gerade einmal 2,5 Prozent der Kinobesucher von Independent-Filmen aus, während diese Gruppe bei den gesamten Kinobesuchen immerhin 11,3 Prozent der Zuschauer stellt. Es ist aus ökonomischen Gründen schon schwierig, einen deutschen Spielfilm für Erwachsene zu drehen. Für Kinderfilme ist ein solcher Dreh allerdings ohne Einsatz von Privatmitteln kaum realisierbar. Nichtsdestotrotz versuchen Filmemacher von Independent-Kinderfilmen ihre Filme an die Zielgruppe zu bringen.

Kindern und erwachsenen Zuschauern soll zudem eine Botschaft vermittelt werden. Auch wenn das nicht allzu sehr im Vordergrund steht. Denn in Filmen geht es weniger darum, den Menschen zu erziehen, sondern vielmehr, ihm Gedanken und Emotionen zu übermitteln. Laut Hatopp erzeugt eine Botschaft beim Zuschauer eher eine Abneigung, wenn diese „sich so in den Vordergrund drängt, dass jeder sagt , Hilfe, da will mich jemand erziehen!‘.“

Es reicht also nicht, Kindern logisch zu erklären, was die Werte unserer Gesellschaft beinhalten. Viel mehr wenden sich die Filme den Emotionen, Hoffnungen und Ängste der Kinder zu. Sie erzählen Geschichten, mit denen sich Kinder und Jugendliche identifizieren können. „Die Geschichten werden so erzählt, dass sie auch Mut machen, das Leben zu wagen und ins Leben hinein zu treten“ erklärt Schmid. Eine lebensnahe Geschichte zu erzählen, ohne das Leben zu idealisieren oder zu zerreißen, ist auch Karola Hattops Prämisse. Sie will „ernste Dinge mit liebevoller Heiterkeit klären“.

Kinder bieten viel Material für Erzählstoffe. Ihre Unschuld wird von Erwachsenen oft idealisiert und mit den eigenen Erfahrungen verglichen. Die prägende Phase im Leben einzufangen, darzustellen und emotional auszuwerten, ist ein Ziel vieler Regisseure. Schon Andrej Tarkowskij und François Truffaut, zwei der bekanntesten Regisseure des Autorenkinos, beschäftigten sich thematisch mit Kindern und der Kindheit, weil sie die personifizierte Reinheit darstellen. Schmid meint: “In vielen Filmen sind die Kinder an der Schnittstelle zwischen Kindheit und Pubertät. Und so an einem Punkt in der Entwicklung an dem die Probleme des Menschseins allgemein auf eine Art wie unter einer Lupe vergrößert sind.”

So bleibt zu hoffen, dass es auch in Zukunft noch Filmemacher in Deutschland geben wird, die den Wert der Kinderfilmproduktion erkennen und  für die Arbeit mit jungen Schauspielern und für deren Themen zu begeistern sind.

Raphael Johannes Tostlebe

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