Am Zentrum für schulpraktische Lehrerausbildung Gelsenkirchen wurde jetzt ein Modellprojekt zur Filmbildung für Lehramtsanwärter durchgeführt. medienbewusst.de sprach mit Reinhard Middel über Zielsetzungen und Inhalte des dreitägigen Ausbildungsangebots. Er ist medienpädagogischer Mitarbeiter von Vision Kino. Vison Kino ist neben der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) und der Initiative Film + Schule NRW an Entwicklung und Durchführung des Projekts beteiligt.
Herr Middel, warum wurde dieses Angebot für Pädagogen ins Leben gerufen?
Es fehlt die verbindliche Verankerung film- und medienpädagogischer Basisqualifikationen in den Lehramtsstudiengängen und den anschließenden Ausbildungsphasen. Deshalb muss an der Entwicklung von Film- und Medienkompetenz sowohl in den Bildungswissenschaften, als auch in der fachbezogenen Lehrerausbildung angesetzt werden.
Unser Filmbildungsangebot versteht sich als ein Beitrag, der modellhaft erproben möchte, wie sich Referendarinnen und Referendare innerhalb ihrer Ausbildung Fächer übergreifend qualifizieren können. Um Film- und Medienprodukte gemeinsam mit Schülern analysieren, reflektieren und handlungsorientiert nutzen zu lernen, bedarf es der Erarbeitung methodisch-didaktischer Fähigkeiten und Fertigkeiten.
Was kann man sich unter den einzelnen Modulen vorstellen?
In dem ersten eintägigen Modul wird zunächst ein Einblick in die bildnerische Bedeutung des Mediums und seine geschichtliche Dimension vermittelt. Es werden hier bildgestalterische und filmanalytische Grundlagen erarbeitet, sowie elementare didaktische Möglichkeiten zum Lernen mit und über Film vorgestellt.
Dies umfasst medienspezifische Ausdrucksformen und Hinweise, wie Film auf der Basis vorhandener Fachcurricula unterricht werden kann. Außerdem geben wir Tipps, welche Unterstützungsangebote, Medien- und Materialbeschaffungsmöglichkeiten, rechtlichen Rahmenbedingungen etc. es gibt.
Unter dem zweiten Modul kann man sich Workshops mit stärkerer Praxisorientierung vorstellen. Mit Hilfe diverser Aufgabenstellungen werden hier Grundmuster der Dramaturgie erschlossen, einige elementare filmische Gestaltungsmittel wie Montage, Farbe und Licht vertieft. Sie werden an der Kamera bzw. mit dem Fotoapparat immer wieder auch praktisch geübt, bevor am Beispiel eines ausgewählten Films („Billy Elliot“) relevante Analysemöglichkeiten angewendet werden.
Von der Themenfindung, über die Storyentwicklung, bis hin zum Filmen im Kameraschnitt wird im abschießenden Teil die kreative Herstellung eines kleinen filmischen Produkts erprobt. Schnitt- und Montageübungen, sowie Bild-Ton-Neukompositionen schließen dieses zweitägige Modul produktionsorientierter Filmbildung ab.
Wie wurde das Angebot von den Lehrern angenommen?
Die Module wurden von den Referendaren recht unterschiedlich angenommen. Das von deutlich mehr Teilnehmern besuchte erste Modul, konnte die Erwartungen nach schulalltagstauglichen Anleitungen wohl nicht im erhofften Maße erfüllen.
In diesem Kontext zeigte sich, dass etwa angehende Fachlehrer für Wirtschaft, Bauwesen, Biologie und Chemie zentrale Modulinhalte wie Filmanalyse, audiovisuelle Alphabetisierung, Film gestalten etc. für weniger unterrichtsrelevant halten wie Lehrer bestimmter medienpädagogischer Kernfächer. Das zweitägige Folgemodul mit seiner größeren Variation von praktischen und kooperativen Lernformen, wurde nach meiner Wahrnehmung von den meisten sehr positiv angenommen.
Was sind Ihre Erwartungen an die Umsetzung in schulischen Alltag?
Die Bereitschaft der Referendare, das Angebot fakultativ wahrzunehmen, stimmt mich optimistisch. Besonders im Praxismodul wurde ihr Interesse deutlich, Film im Unterricht nicht nur im klassischen Sinne als Instruktionsfilm und Türöffner zu Themen einsetzen. Sie wollen auch selber gestalten und methodisch sinnvoll in den eigenen Unterricht integrieren. Die „Jäger und Sammler“ haben von Methoden, Ideen und Materialien im Verlauf der Ausbildungstage meines Erachtens hinreichend viel mitnehmen können. Vor allem Anleitungen zum praktisch-kreativen Arbeiten mit Filmen, die mit einfachen Mitteln in/m handlungsorientierten Unterricht umgesetzt werden können.
Wird dieses Projekt künftig öfter stattfinden?
Das Modellprojekt wird nach der jetzt abgeschlossenen Durchführung der Module evaluiert und ausgewertet. Zielsetzung ist, dass die im Projekt erprobten Filmbildungsbausteine nach Möglichkeit auch andernorts Bestandteil der Lehrer- und Fachleiterausbildung werden. Um das Projekt kontinuierlich weiterzuentwickeln, bedarf es des personellen, sachlichen und finanziellen Engagements von Einrichtungen in den Ländern. Ihre Aufgabe ist es, den Medienbildungsbeschluss der Kultusministerkonferenz nun auch entsprechend umzusetzen. Darin heißt es: „Die grundlegende Ausbildung für Lehrkräfte muss fortgeführt und ergänzt werden durch entsprechend bedarfsgerechte Qualifizierungs- und Fortbildungsangebote, in denen Medienkompetenz und medienpädagogische Kompetenzen für bestimmte Anwendungssituationen und Aufgabenstellungen im Zusammenhang von Schule und Unterricht vermittelt und erworben werden können.“
medienbewusst.de bedankt sich bei Reinhard Middel für das Interview und wünscht für die Zukunft noch viel Erfolg.
Gina Hoffmann