Musikfernsehen als Momentaufnahme einer Generation


Vor genau 30 Jahren feierte der Musiksender MTV mit Video killed the radio star von den Buggles Premiere in den USA. Der Songtitel sollte von nun an Programm sein – Musik wurde visualisiert. In den vergangenen drei Jahrzehnten hat sich das Programm der Musiksender stark verändert und schon längst dreht sich nicht mehr alles um die Musik. Doch was halten Kinder heute von MTV und Co.? medienbewusst.de hat sich eine Studie zu diesem Thema von FLIMMO , ein Verein für die elterliche Programmberatung, genauer angeschaut.

Mädchen schauen lieber Musikfernsehen als Jungs. Sendungen über den Aufbau oder das Zerstören von Beziehungen rangieren dabei ganz oben auf der Beliebtheitsskala. Aber eigentlich läuft der Fernseher nur nebenbei. Dies sind Erkenntnisse, die der Verein Programmberatung für Eltern, kurz FLIMMO genannt, in seiner neuesten Studie zum Umgang von Kindern mit Musikfernsehsendern zu Tage brachte. Diese Studie spiegelt das Bild einer sich ständig verändernden Gesellschaft wieder. Zusammen mit neuen technischen Möglichkeiten variiert auch der Konsum von Medien durch die Zuschauer. Gleichermaßen hat sich die Aufmachung von Musiksendern wie MTV oder VIVA gewandelt. Markus Kavka, DJ und ehemaliger MTV-Moderator, hat bereits vor fünf Jahren gegenüber ZEIT Online darauf aufmerksam gemacht , dass MTV in den Anfängen Musik für junge Leute gesendet habe und das es heute eben noch genauso sei. MTV ist folglich nicht mit den Zuschauern erwachsen geworden, sondern immer gezielt jung geblieben. Das impliziert eben auch, dass das MTV-Programm sich an die jeweilige junge Generation anpassen muss. Alles andere wäre ja auch schlimm, so Kavka weiter, es müsse schließlich irgendwie weiter gehen.

Unverändert bleibt die Tatsache, dass Spartenprogramme wie MTV und VIVA nach wie vor zum festen Bestandteil des alltäglichen Programm-Ensembles der Heranwachsenden gehören. Eine FLIMMO-Studie zum selben Thema aus dem Jahr 2003 macht jedoch auf die unterschiedlichen Motive der Kids aufmerksam: Haupteinschaltgrund waren, insbesondere für die 8 bis 10-Jährigen, das, wofür MTV konzipiert wurde: Videoclips! Damals schon als Ideal zum Entspannen oder zur Unterhaltung angesehen, erleidet das Flaggschiff visueller Musikunterhaltung das gleiche Schicksal wie die gesamte Fernsehbranche auch: Fernsehen ist zu einem Nebenbeimedium geworden. Insbesondere Musiksender eigenen sich für Jugendliche hervorragend, um nebenbei im Internet zu surfen, zu chatten oder Hausaufgaben zu machen. Eine Tatsache, der die Kids laut neuester FLIMMO-Studie voll und ganz entsprechen.

Allerdings rezipiert die Jugend von heute lieber Beziehungskisten als gut produzierte und teuer inszenierte Musik-Clips. Die Datingshows Next, Desaster Date und Date my Mom führen die Liste der beliebtesten MTV-Sendungen an. Daneben erfreuen sich Sendungen, die FLIMMO dem Sendungsbündel „Häme, Schmerz und Schadenfreude“ zuordnet, ständiger Beliebtheit. Dazu gehören Serien wie Jackass oder Homewrecker. Das anhaltende Interesse an solchen Reality-und Dating-Formaten erklärt die Studie durch entwicklungsbedingte Voraussetzungen dieser Altersgruppe – das große mediale Angebot biete eine Reihe von gern genutzten Orientierungsvorlagen.

Markus Kavka erklärt es als Spiegelbild der Gesellschaft, wobei Musikfernsehen nicht mehr so neu und aufregend sei, wie vor 20 Jahren. Allerdings sei MTV immer noch ein Abbild der jeweiligen Generation. Fernsehen zeigt, was das Publikum verlangt. Insbesondere Musikprogramme sprechen ein sehr junges Publikum an, welches sich mitunter auch durch wenig Medienerfahrung und mangelndes Reflektionsvermögen auszeichnet. Seit ihrer Entstehung müssen sich MTV und Co. deshalb die Frage stellen, was überhaupt gezeigt werden darf: Bei Video-Clips verschwimmt die Grenze zwischen Ethik und Kunst – sowohl was Liedtexte als auch die visuelle Darstellung im Clip anbelangt. Laut Studie können die Reality-Shows durch verzerrte mediale Vorgaben ein falsches Welt- und Menschenbild zeichnen. FLIMMO appelliert daher auch an die elterliche Aufmerksamkeit – bisher stünden diese dem Konsum von Musiksendern größtenteils gleichgültig gegenüber. Allerdings sollten Eltern das Rezeptionsverhalten ihrer Kinder öfter kritisch hinterfragen und dargestellte Gemeinheiten, Gewalt oder sexualisierte Darstellungen, wie in der Dating-Sendung A Shot at Love with Tila Tequila nicht unkommentiert lassen.

Mandy-Christin Berthold

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