Jede Menge Bier, ungeduschte Gäste und Tanzstile, die das ungeübte Auge als mittelschwere Massenschlägerei identifizieren würde. Ein Festival ist nichts für Jedermann. Männersache ist es hingegen definitiv: Klares Wasser, saubere Toiletten und Kuschelkissen – alles Firlefanz, der auf derartigen Veranstaltungen nichts zu suchen hat. Ebenso wie all die, die das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Sollte man meinen. Doch Peter Eberhardt und Susi Knobloch haben mit ihrem “Rockfestival an der Ilm” genau das Gegenteil bewiesen und gezeigt, wie man Punkrock familientauglich macht.
Langewiesen im Juni 2012. Ein weitläufiger Acker, direkt unter der sich im Bau befindlichen neuen ICE-Trasse, war Schauplatz des “Rockfestival an der Ilm”. Weit ab von Nachbarn, die sich durch hämmernde Bässe und enthusiastischen Fans belästigt fühlen könnten, gaben sich Ska-, Punk- und Metalbands aus ganz Deutschland die Klinke in die Hand. Die drei Punker rund um Bottrops-Frontmann Bang Bang Benno tischten bereits zu Festivalbeginn besten Deutschpunk aus Berlin auf. Das größtenteils kurzrasierte und buntgefärbte Publikum zeigte sich dennoch etwas verhalten und nahm Abstand von Pogo und Moshpit. Kein Problem für die zahlreichen jüngeren Besucher. Wer sich nicht mehr im Kinderwagen halten konnte, dem bot das weitläufige Wiesengelände allerhand Platz zum Austoben. Kinder auf einem Punkrockfestival – für Veranstalterin Susi Knobloch längst nichts Ungewöhnliches mehr: “Die Kinder sind Teil der Crew. Unser Publikum wird eben auch älter und bekommt Nachwuchs, warum sollte der nicht mitkommen?” Die Festivalbesucher Rudi und Melle stimmen dem zu: “Heutzutage gibt es nicht mehr diese starke Bindung zu den Großeltern. Statt die Kinder auszuquartieren, werden sie einfach mitgenommen. Und den Festivals fehlt einfach der jugendliche Nachwuchs, deswegen ist es allgemein so, dass solche Veranstaltungen immer familienfreundlicher werden.”
Abrocken steht an erster Stelle
Dass auch in Langewiesen Groß und Klein auf ihre Kosten kamen, dafür sorgten unter anderem der Eis und Crêpes vor und die Band Atemnot auf der Bühne. Egal, ob mit harten Griffen auf der E-Gitarre oder sanfteren Klängen von der Wanderklampfe – Sänger Einhorn brachte Bewegung in die Besucherbande vor der Bühne. Selbst Erstklässer Julien zeigte sich textsicher. „Ihm geht es in erster Linie darum, dass er zu Hause richtig abrocken kann. Die Texte sind egal“, erzählte Mutter Kathrin. Angst, dass diese doch eher raue Musikszene
ihren Jüngsten negativ beeinflusst, hat sie nicht: „Ich glaube, dass die Kinder sowieso meistens genau die Richtung im Leben einschlagen, die die Eltern nicht gewählt haben. Einfach um sich abzugrenzen.“ Noch ist der elterliche Einfluss unübersehbar – zumindest was die Haartracht anbelangt. Doch laut Julien sind Änderungen vorbehalten: Berufswunsch? Bürgermeister!
Auch die elfjährige Isa bleibt von der Szene-Uniformierung unbeeindruckt: „Ich habe sie mitgenommen, weil ihr die Musik gefällt“, erzählt Papa Joachim, „warum sollte das einen schlechten Einfluss haben? Sie lässt sich bisher leider noch nicht mal vom Tanzspektakel vor der Bühne mitreißen (lacht).“ Zu vorgerückter Stunde wurde in Langewiesen jedoch weit mehr als drei Akkorde geboten: Während sich der Punknachwuchs ins heimische Nachtquartier zurück zog, wurden die Metalheads unter den Besuchern des Rockfestivals noch einmal ordentlich wach gerüttelt: Die Musiker von Mainpoint kombinierten szenetypisch langes Haupthaar mit deftigen Riffs und handfester Publikumsintegration durch Sänger Axl. Die “Großen” feierten mit Bands wie The Pokes und Vibration Syndicate bis in die frühen Morgenstunden.
Moris und Kathrin haben mit ihrem Sohn Julien das Festival besucht (links). Die beiden Jungs Corvin und Finnegan hatten trotz des schlechten Wetters ihren Spaß (rechts).
Zaubershow und Kinderschminken
Beim Frühschoppen am nächsten Morgen fanden sich jedoch nur vereinzelt Anzeichen von Müdigkeit. Putzmunter waren vor allem die Kleinen, die sich ungeachtet harscher Texte aus dem Festzelt bei der Zaubershow vor der Bühne vergnügten. Neben einer Hüpfburg und Kinderschminken sorgte auch der Ilmenauer Eismann erneut für strahlende Kindergesichter. Helferin Franziska, die als Sanitäterin auf dem Festival tätig war, zieht ein positives Resümee: “Es war wieder schön zu sehen, wie sich die Generationen auf dem Rockfestival zusammengefunden haben – Alt und Jung haben gemeinsam Spaß gehabt!” Wirklich viel zu tun hatte sie allerdings nicht: “Es gab keine Zwischenfälle, ich habe nur einmal ein kleines Pflaster kleben müssen (lacht).” Zufrieden ist auch Veranstalter Peter Eberhardt: “Wir hatten hier bereits im letzten Jahr ein kleines Woodstock-Revival – wo sich irgendwie jeder lieb hatte und durch die Gegend tanzte. In diesem Jahr haben wir das wieder geschafft!” Mehr noch: Das Veranstaltungsteam hat bewiesen, dass Festivals weit mehr bieten können als Hardcore-Tänzer und meterlange Schlangen vor den Toiletten. Das “Rockfestival an der Ilm” – eine Sache für Jedermann – und Familien!