Tablets statt Bücher – Die Schule von Morgen?


2012 rief das Land Niedersachsen das Projekt „Mobiles Lernen mit Tablet-Computern“ ins Leben. An landesweit 18 Schulen soll die Eignung von mobilen Endgeräten im Schulalltag untersucht werden. Medienbewusst.de hat Herrn Lüder Schulken, Lehrer an der Waldschule Hatten, zu seinen Erfahrungen im Umgang mit iPads im Unterricht befragt.

Herr Schulken, wie kann man sich den Unterricht in Tablet-Klassen an Ihrer Schule vorstellen?

Seitdem wir Notebook-Klassen haben, gibt es bei uns einen schuleigenen Server. Alle Schüler haben einen Account für diesen Server. Dort gibt es für meine Tablet-Klasse ein Forum. Hier können sich meine Schüler austauschen und Dateien untereinander weitergeben. Das ist für die digitalen Klassen die Basis für den Unterricht mit dem iPad. Außerdem bietet es mir die Möglichkeit, Arbeitsblätter für die Kinder vorzubereiten und auf dem Server zur Verfügung zu stellen. Damit können die Schüler dann auf ihren iPads arbeiten und mir anschließend ihre Lösungen zukommen lassen.

Welche Lehrmaterialien bzw. Software verwenden Sie auf ihren Tablets?

Für Medienproduktionen benutzen wir die eingebaute Kamera – zum Beispiel zum Aufnehmen von Rollenspielen in Englisch oder im Fach Deutsch. Mit der App „Pages“ können wir im Deutschunterricht eigene Texte erstellen und mit „Keynotes“ bereiten meine Schüler Präsentationen vor. Außerdem habe ich ihnen mit „Wordpress“ einen Blog angelegt. Dieser steht besonders im Fokus, wenn die Schüler ihre Texte gegenseitig beurteilen sollen.

Es gibt also unglaublich viele Sachen, die für den Unterricht genutzt werden können. Da muss ich als Lehrer didaktisch schauen, dass ich die richtige Auswahl treffe und die Apps schlüssig in den Unterricht einbinde.

Warum haben Sie sich für das iPad als einheitliches Tablet für Ihren Unterricht entschieden?

Ich habe jetzt nicht zu denjenigen gehört, die diesem Hype gefolgt sind, und das iPad für das Gerät überhaupt gehalten habe. Ich war aber auch nicht negativ demgegenüber eingestellt. Dennoch muss ich sagen, dass meine Skepsis unbegründet war. Ich halte das iPad für ein sehr gutes Medium für Schüler und Schülerinnen.

Welche Vorteile entstehen durch die neue Form der Unterrichtsgestaltung für Ihre Schüler?

Der entscheidende Vorteil ist, dass sich die Schüler schnell Wissen selber beschaffen können. Man bekommt somit auch eine höhere Eigenverantwortung der Schüler in den Unterricht.

Eine Studentin der TU Dortmund begleitet zur Zeit eine Tablet Klasse der Waldschule Hatten, um herauszufinden, ob der Unterricht mit Tablets die Internetkompetenz der Kinder fördert.
Was würden Sie aus ihrer Erfahrung heraus für ein Ergebnis erwarten? Glauben Sie, dass der Unterricht mit Tablets, neben neuen Lernmethoden, auch helfen kann das Medienbewusstsein der Kinder zu fördern und ihnen einen sichereren Umgang mit dem Internet beizubringen?

Ja, da bin ich mir ziemlich sicher. Vieles ist mittlerweile für meine Schüler selbstverständlich. Ich muss mich immer wieder wundern, wie schnell die Kinder dazulernen. So hat sich „Wikipedia“ mittlerweile etabliert, um sich allgemeines Wissen anzueignen. Außerdem nutzen die Kinder beispielsweise „google-Maps“ für den Erdkunde-Unterricht.

Ein iPad bietet den Schülern sicherlich auch viele Möglichkeiten, sich vom Unterricht abzulenken und sich mit ganz anderen Sachen als mit dem Lehrmaterial zu beschäftigen. Kann das nicht manchmal auch kontraproduktiv im Unterricht sein? Wie bekommen Sie das in den Griff?

Sehr gut funktioniert es bei Schülerinnen. Diese legen die notwendige Selbstdisziplin an den Tag, um die Vorteile des Geräts für ihren Lernzuwachs optimal zu nutzen, während andere dazu neigen, sich mit Spielen abzulenken. Allerdings hat das auch viel mit dem Elternhaus zu tun. Probleme gibt es da, wo zu Hause überhaupt nicht darauf geschaut wird, und die Kids sich dann nur noch Spiele herunterladen. Einer meiner Schüler hatte zum Beispiel über hundert Spiele auf seinem Gerät. Es gibt also auch Kinder, die dann zu Hause maßlos zocken und die Vorteile für die Schule dann am Ende gar nicht so richtig nutzen können.

In der Schule muss natürlich darauf geachtet werden, dass nicht zwischendurch immer wieder Sachen gemacht werden, die nichts mit dem Unterricht zu tun haben. Daher müssen gewisse Regeln aufgebaut werden. So müssen zum Beispiel die Bildschirme schwarz sein, wenn gesprochen wird.

Bei der Einführung von Tablets an Ihrer Schule werden Sie im Rahmen des Projekts des Landes Niedersachsen von Medienberatern unterstützt. Wie sehr hilft Ihnen das bei der Gestaltung des Unterrichts mit Tablets?

Da einer unserer Kollegen mittlerweile selber medienpädagogischer Berater ist, sind wir zu einem großen Teil in der Lage, uns selber zu helfen. So viel Beratung von außen ist da gar nicht mehr notwendig und findet auch nicht mehr in dem Maße statt. Natürlich sind wir trotzdem für jede Hilfe oder für jeden Tipp dankbar und offen für jegliche Zusammenarbeit.

Weil Sie mittlerweile eher die praktischen Erfahrungen auf ihrer Seite haben?

Genau. Es ist schon so, dass sich unsere Schule auch über die Landesgrenzen hinaus mit den Tablet-Klassen bekannt gemacht hat. Ich bekomme sehr viele Mails und Anfragen wegen Interviews oder von Leuten, die sich den Unterricht ansehen wollen.

Wir stehen den Schulbuch-Verlagen noch so ein bisschen auf den Füßen, weil die aus unserer Sicht sehr langsam sind. Zwar gibt es allmählich die ersten Verlage, die ihre Lehrbücher digitalisieren, aber die könnten auf jeden Fall ein bisschen schneller nachziehen. Meine Tochter zum Beispiel geht aufs Gymnasium. Sie ist in der fünften Klasse und muss jeden Tag einen zentnerschweren Ranzen schleppen. Die flächendeckende Digitalisierung von Lehrmaterial seitens der Schulbuch-Verlage wäre da eine große Erleichterung.

Die Kinder haben sicherlich große Freude daran gehabt ihre neuen Lernhilfen auszupacken. Doch die Tablets mussten ja zunächst irgendwie finanziert werden. Wie hat das Ihre Schule organisiert?

Die iPads für unsere Tablet-Klassen sind von den Eltern finanziert. Wir arbeiten da zusammen mit „Mobiles Lernen“. Das ist ein Unternehmen, das zu 50% Mitarbeiter mit Behinderungen beschäftigt und gegründet wurde, um Lehrer und Schulträger bei der Planung und Umsetzung von Notebook / Tablet – Schulen zu unterstützen.

Gab es Eltern, die sich die Finanzierung eines iPads für ihr Kind nicht leisten konnten?

Ja, gab es. Die Finanzierung von Tablets über „Mobiles Lernen“ beinhaltet aber nicht nur eine Versicherung der Geräte. Darüber hinaus können Eltern mit geringerem Einkommen aus einem Bildungsfond unterstützt werden, in den alle Eltern einzahlen. Die Betroffenen zahlen dann nur die Hälfte.

Wie sehen sie die Zukunft der Tablets im Schulalltag? Glauben Sie, dass sich diese Technik früher oder später flächendeckend an deutschen Schulen durchsetzten wird?

Davon bin ich überzeugt. Wenn ich mir vorstelle, dass ich mit diesem Gerät hätte studieren können, dann wäre es schon nicht schlecht gewesen. Das ersetzt zwar nicht den Rechner oder den Laptop von zu Hause, aber gerade die Handlichkeit der Tablets ist ein großer Vorteil. Man kann das Gerät jederzeit dabei haben, sich Notizen machen oder mal eben ins Internet gehen. Tablets bieten da wirklich unheimlich viele Möglichkeiten. Daher kann ich mir gut vorstellen, dass sich das früher oder später flächendeckend durchsetzten wird.

Medienbewusst.de bedankt sich bei Herr Schulken für das Interview und wünscht weiterhin viel Erfolg.

Leo Ferdinand Günther