Wie führt man Kinder richtig an Medien heran?


Unsere Kinder haben täglich mit Medien zu tun, doch Vorfälle wie gefilmte Prügeleien, die auf Social Media Seiten verbreitet werden, zeigen eindeutig, dass Kinder im Umgang mit Medien noch sehr viel lernen müssen. Aber was können Eltern tun, um ihre Kinder medienkompetenter zu machen, wenn sie selbst bei der zunehmenden Digitalisierung der Medien kaum noch mitkommen?

Dr. Iren Schulz, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Bremen, beschäftigt sich genau mit solchen Fragen. Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehören digitale Medien, qualitative Kinder- und Jugendmedienforschung, sowie soziale Netzwerke. Ihre Leidenschaft zu diesen Fachgebieten entdeckte sie an der Universität Leipzig, wo sie Kommunikationswissenschaften, Erziehungswissenschaften und Medienwissenschaften studiert hat. Auch hat sie dort Medienpädagogik gelehrt und Weiterbildungen für Medienkompetenz angeboten, in denen sie mit Jugendlichen medienbezogene Praxisprojekte durchgeführt hat, um die Medienkompetenz bei Kindern und Jugendlichen zu fördern.

Bei den Weiterbildungen hat sie herausgefunden, dass Jugendliche den Medien gegenüber offen und neugierig sind. Besonders kompetent sind sie auf der technischen Ebene, dort wissen sie meist mehr als ihre Eltern. Trotzdem gibt es weiterhin Förderbedarf:  Kindern müssen lernen, die Inhalte, Dienste und Services der Medien kritisch zu hinterfragen. Ihrer Meinung nach, sollten die Kinder sich mehr damit auseinander setzen, was es bedeutet bei Facebook oder SchülerVZ Daten einzutragen und Fotos zu veröffentlichen. Ebenso sollten sie sich über die Tragweiten und Reichweiten dieser Handlungen bewusst werden.

Medienerziehung ist schwerer geworden

Iren Schulz

Aber genauso wichtig ist es für Frau Schulz auf die Eltern einzugehen. Denn wie können diese ihren Kindern Medienkompetenz näher bringen, wenn sie selbst gar nicht wissen, wie die Medien funktionieren und was es für Nutzungsmöglichkeiten gibt? In speziellen Seminaren geht sie auf die Eltern ein und zeigt ihnen die Lebenswelt der Kinder anhand wissenschaftlicher Studien. Praktisch erfolgen solche Seminare laut ihr folgendermaßen „Man entwickelt mit den Lehrern etwas zusammen, was sie dann später mit ihren Kindern innerhalb von Schulprojekten umsetzen können.“

Sie findet, dass die Medienerziehung für Eltern schwerer geworden ist. „Bei dem Fernsehen war dies noch einfacher. Der Fernseher ist ein stationäres Gerät mit bestimmten Inhalten, welches man einfach ausschalten kann, wenn die Kinder eine bestimmte Sendung nicht mehr schauen sollen. Aber bei Mobiltelefonen ist dies bei weitem schwieriger. Die Eltern und Pädagogen müssen erst einmal Zugang dazu bekommen, was Kinder und Jugendliche damit machen.“ Auch warnt sie vor einer ständigen Kontrolle, die von Eltern ausgehen kann. Kinder sollen ihre eigene Lebenswelt haben, und Eltern sollen nicht auf den Profilen von Sozialen Netzwerken herum spionieren. Ihrer Meinung nach sollten Eltern mehr auf ihre Kinder eingehen: „Sie müssen dafür offen sein und sich anhören, was die Kinder gerade begeistert und was sie gerade machen und nicht mit einem vorgefertigten Urteil darangehen, das ist alles Mist.“

“Das Handy könnte schon mit der Geburt angeschafft werden”

Der Schlüssel dazu ist ihrer Meinung nach die Beziehung der Kinder zu den Erwachsenen: „Kinder sollten Vertrauen haben und sich öffnen können. Dies sollte auch in der Pubertät aufrechterhalten werden, bei der es um Abgrenzungen geht. In ihrer Doktorarbeit hat Frau Schulz, im Rahmen einer Langzeitstudie, drei Freundschaftsgruppen über mehrere Jahre begleitet, ihre Beziehungsnetze erforscht und dabei die Rolle des Mobiltelefons untersucht: „Die besten Freundschaften existieren immer im nahen Umfeld. Das Mobiltelefon hat dabei eine wichtige unterstützende Funktion und intensiviert meist die Beziehungen noch mehr.“

Bei ihrer eigenen zweijährigen Tochter hat sie sich noch keine Gedanken gemacht, wann diese das erste Handy bekommen soll. Doch der Schuleintritt wäre ein geeigneter Zeitpunkt für sie. Aber in Zukunft könnte es nach Frau Schulz auch noch früher sein: „Vielleicht entwickelt sich das in den nächsten Jahren auch so, dass das Handy schon mit der Geburt zusammen angeschafft wird.“

Medien lassen sich nicht ausklammern

Laut Frau Schulz ist es sehr wichtig, dass Eltern sich auf neue Medien einlassen und ihre Kinder sehr früh an diese heranführen. “Unsere Gesellschaft funktioniert grundsätzlich mit Medien und zu versuchen das zu verbieten und auszuklammern, kann nur nach hinten losgehen.“ In Zukunft will sie sich deshalb auch noch mehr mit Studien zu Kindern unter sechs Jahren beschäftigen. Sie sieht dort noch viele Forschungslücken. Aber auch den Aspekt Medienkompetenz und digitale Spaltung hält sie für sehr interessant, denn da hat sich in ihren Augen in den letzten Jahren sehr viel getan. „Man kann nicht einfach sagen, niedrige Bildungsschichten haben keinen Zugang zu Medien und Internet.“ Auf diesen Feldern will sie unbedingt noch weiter forschen und wir wünschen ihr dabei viel Erfolg und sind jetzt schon auf die Ergebnisse gespannt.

Anika Penn

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