Es gibt zahlreiche Hörbücher für Kinder, deren Helden Groß und Klein in ihren Bann ziehen. Bei personalisierten Hörbüchern sind die Hörer sogar selbst in der Hauptrolle und werden zu kleinen Abenteurern. Welche Rolle das Hören von Geschichten generell für Kinder spielt, beschreibt Frau Dr. Simone C. Ehmig, Leiterin des Instituts für Lese- und Medienforschung der Stiftung Lesen, im Gespräch mit medienbewusst.de
mawinti – Mit dir in der Hauptrolle
Das Online Angebot von mawinti.de richtet sich vor allem an Fünf- bis Zehnjährige und bietet zehn verschiedene Hörspiele zum Download oder als CD zur Auswahl. Durch das Einsetzen des eigenen Kindernamens und wahlweise zusätzlich den Namen eines Freundes erhalten die Geschichten einen persönlichen Charakter. Durchschnittlich 55-mal erklingt der Wunschvorname. Dies entspricht dem Standard herkömmlicher Hörbücher. Lediglich ein leichter stimmlicher Unterschied lässt erkennen, dass der Name erst nachträglich in das Hörspiel eingefügt wurde.
Schauspieler Hartmut Ehler erweckt die Geschichten zum Leben und schlüpft in viele verschiedene Rollen. Als Vater zweier Söhne steht für ihn niveauvolle Kinderunterhaltung im Vordergrund und in seiner Rolle als Erzähler nimmt er den Hörer mit auf spannende Reisen in die Welt der Fantasie.
In dem Hörbuch „Kleine Artisten“ gibt es ein Zirkuszelt mit Elefanten,Tigern, Artisten und Dompteuren in bunt schillernden Glitzerjacken zu entdecken. Andere spannende Tiere können Kinder in „Aufruhr auf dem Bauernhof“ kennenlernen. Eine weitere tierische Geschichte eignet sich besonders für Pferdefans. In „Wettrennen auf dem Reiterhof“ stehen nach langem Warten und einem langweiligen Familienurlaub in einer Kurklinik an der Nordsee, endlich zwei Wochen Reiterferien auf dem Programm. Kleine Abenteuerfans freuen sich über Geschichten wie „Zwei Detektive“, in der ein Verbrechen aufgeklärt wird, oder auch „Ein Schulausflug in die Vergangenheit“, in der sich eine Schulklasse auf den Weg in die fast 700 Jahre alte Burg Hohenfels macht und sich dort auf eine gespenstische Schatzsuche begibt.
Hinter der Umsetzung all dieser Geschichten stehen Sprecher Hartmut Ehler, der Produzent Marcus Winterstein, die Kinderbuchautorin Monika Dietrich – Lüders und die Regisseurin Nadja Schmid. Durch den Beruf und in ihrer Rolle als Eltern beschäftigen sie sich schon seit vielen Jahren mit Kinderunterhaltung. Für Regisseurin Nadja Schmid, die mit viel Engagement im Kindertheaterbereich arbeitet, gelten Kinder als „die wertvollsten Zuhörer“.
Das mawinti-Team beschreibt Zuhören als unabdingbare Voraussetzung für den gesellschaftlichen Austausch. Es helfe bei der Lösung von Konflikten und fördere den zwischenmenschlichen Dialog. Außerdem diene es den Kindern als Grundlage für ihre Entwicklung.
Zuhören lernen
Auch Dr. Simone C. Ehmig von der Stiftung Lesen misst dem Zuhören eine sehr bedeutende Rolle zu. Sie sieht den Reiz des Geschichtenhörens und -lesens unter anderem darin, etwas zu entdecken, was außerhalb des erfahrbaren Horizonts liegt und somit einen Spielraum für eigene Vorstellungen bietet.
Hörbücher anzuhören sei indes nicht dasselbe wie Vorlesen und Geschichtenerzählen. Letzteres lebe vom Agieren, Reagieren und dem gemeinsamen Dialog. Vorlesen und Erzählen sei unter anderem deshalb so elementar wirksam, weil die Geschichten durch die Nähe zu einer vertrauten Bezugsperson noch intensiver wahrgenommen und mit dieser Person zusammen durchgesprochen und erlebt werden. „Hörbücher sind eine sinnvolle Ergänzung, aber kein Ersatz für das Vorlesen durch eine vertraute Person“, so Frau Dr. Ehmig. „Wenn die Kinder allein zuhören, fehlt die Möglichkeit des Fragens und Austauschs. Daher sollten die Geschichten in Hörbüchern nicht zu abstrakt für Kinder sein, sie sollten diese verstehen und unmittelbar nachvollziehen können.“ Sinnvoller Weise sollten Hörbücher deshalb erst später zum Einsatz kommen, wenn die Kinder schon an das Vorlesen und Erzählen durch die Eltern gewöhnt sind. Es sei wichtig darauf zu achten, wie hoch die Aufmerksamkeits- und Konzentrationsschwellen des Kindes sind und ob es in der Lage ist, das Gehörte aufzunehmen. Wann der richtige Zeitpunkt ist, sollten Eltern individuell entscheiden – je nach der persönlichen Entwicklung ihres Kindes.
Den Effekt, den ein personalisiertes Hörbuch auf ein Kind haben kann, stuft die Institutsleiterin eher ambivalent ein. Für die Entwicklung von Fantasie und Empathie sei es einerseits sinnvoll, dass ein Kind Charaktere kennenlernt, in die es sich hineinversetzen kann. Es sei fraglich, ob dies so gut gelingen könne, wenn die geschilderte Person den eigenen Namen trage. Der eigene Name in der Hauptrolle könne andererseits dazu beitragen, dass sich das Kind selbst in einer unbekannten Situation wahrnimmt und sich gerade deshalb besonders gut dort hineinversetzen könne. Wenn das Kind verschiedene Hörbücher hört, in denen jeweils verschiedene Rollen mit dem eigenen Namen verbunden seien, könne eine Identifikation mit der Hauptfigur wiederum erschwert werden.
„In diesem Sinne sind unterschiedliche Mechanismen denkbar, die einsetzen, wenn sich ein Kind mit einem Protagonisten mit fremden oder aber dem eigenen Namen identifiziert“, erklärt die Institutsleiterin.
Sie beurteilt personalisierte Hörbücher als interessantes Gedankenexperiment und schöne Abwechslung für das Kind, jedoch nicht als zwingend notwendig, um einen guten Einstieg in die Geschichte zu ermöglichen. Sie empfiehlt daher, nicht ausschließlich personalisierte Geschichten zu nutzen. Den Eltern rät Ehmig, ein gutes Lese- und Hörvorbild zu sein. „Wichtig ist, dass Kinder ihre Eltern selbst beim Lesen und Hören erleben. Die Eltern sollten Spaß dabei haben und nicht den Eindruck eines erzwungenen Ablaufs erwecken. Regelmäßiges, am besten tägliches Vorlesen, spielt dabei eine entscheidende Rolle.”
Für Jungen sei es besonders wichtig, dass auch die Väter vorlesen. Studien des Instituts für Lese- und Medienforschung haben gezeigt, dass Väter deutlich seltener vorlesen als Mütter. Dies liegt vor allem an den Rollenvorstellungen gegenüber ihren Partnerinnen. Väter sollten hingegen präsent sein, da Jungen ansonsten ihre Vorbilder und Geschlechterrolle in dieser Hinsicht nicht wahrnehmen.
Das Medium Lesen, eng verbunden mit dem Hören, dürfe dennoch nicht polarisiert oder gegenüber anderen Medien ausgespielt werden. Frau Dr. Simone Ehmig rät davon ab, Lesen als Strafe zu nutzen. „Strafe“ würde bedeuten, dass alle anderen Medien dann nicht genutzt werden dürfen und stattdessen gelesen werden muss. Die Herstellung eines gesunden Gleichgewichts in der Medienvielfalt des Kindes ist entscheidend. Somit wird auch dem Lesen ein Stellenwert in dem Medienverbund beigemessen, in den das Kind hineinwächst.
medienbewusst.de meint:
Personalisierte Hörbücher stellen durchaus eine Abwechslung zu herkömmlichen Hörbüchern dar. Dennoch sollten sie vor allem als Ergänzung genutzt und nicht als Ersatz für das Vorlesen durch Familienmitglieder gesehen werden. Eltern dienen als Lese- und Hörvorbild und sowohl Mütter als auch Väter sollten diese Funktion ausüben. Außerdem raten wir, vor dem Kauf auf die entsprechende Altersempfehlung zu achten.
Alisa Miller