Kein Klassiker für Siebzehnjährige


Sie sitzen an dem mit Spitzendeckchen eingehüllten Esstisch in Omas gemütlichem Wohnzimmer, tragen halbhohe Stiefel, Jeans und T-Shirts wie zwei ganz normale Mädchen. Aus dem Radio der rustikalen Küche ertönt Musik, die, wenn sie auch das Ambiente der Wohnung einrahmt, doch so gar nicht zu zwei siebzehnjährigen Jugendlichen passen will.

Julia und Franziska David macht die Hintergrundmusik nichts aus. So wie sie ihre Oma und deren Wohnung lieben, lieben sie nicht nur die deutlich vernehmbare, volkstümliche Musik, sondern leben sie auch. Während sich Gleichaltrige für Rock, Pop und Alternative begeistern, sind sie die Geschwister David – ein volkstümliches Schlagerduo, das seine Leidenschaft zum Beruf machen möchte.

Es ist aber auch eine Leidenschaft, mit der man es als junger Mensch schwer hat, in einer Gesellschaft, in der volkstümliche Musik unter Volksmusik abgestempelt und häufig belächelt wird. Nur elf Prozent der 14 – bis 64 Jährigen hören laut einer Umfrage der Forschungsgesellschaft Marplan sehr gerne Volksmusik. 84 Prozent können mit ihr hingegen überhaupt nichts anfangen.

Das wissen auch die beiden Schwestern. Für sie aber ist die volkstümliche Musik – die sich durch eine gesanglich höhere Professionalität und einen geringeren regionalen Bezug als die Volksmusik auszeichnet – ein Mittel, um ihren Gefühlen Ausdruck zu verleihen. Ihnen macht es Spaß, in ihrer Freizeit im Dirndl über die Bühne zu tanzen und davon zu singen, dass Liebe ganz einfach anfängt.

Mit ihrem Lebenstraum, der sich mit acht Jahren entfachte und sie bis jetzt nicht losließ, hat es ähnlich einfach begonnen. Damals haben sie die Hitparade in der ARD gesehen und sich die Geschwister Hofmann zum großen Vorbild gemacht. Und während diese mit ihrem ersten Hit längst zum Grand Prix der Volksmusik gefahren waren und sich einen Namen machten, übten sie im Kinderchor und schulten ihre Stimmen in klassischem Gesang.

Die volkstümliche Musik haben die beiden währenddessen, zur Überraschung ihrer Eltern, nie aus den Augen verloren: „Am Anfang haben sie sich gar nicht für Musik interessiert“, gesteht Franziska, „Wir haben gesungen und sie haben gedacht, das sei eine Spielerei und wird bald wieder vergehen, aber es hat nicht aufgehört,“ fügt sie lachend hinzu.

„Wir haben dann an einem Kinderfestival teilgenommen und gewonnen. Danach durften wir Lieder aufnehmen und mit diesen haben wir uns in Österreich beworben. Da hat man uns zu Probeaufnahmen eingeladen und die haben wir wahrscheinlich ganz gut gemacht, denn dort sind wir seit drei Jahren unter Vertrag.“, erzählt Julia schmunzelnd.

Ein Widerspruch in der Beschäftigung mit der Klassik und dem volkstümlichen Schlager besteht für die Schwestern nicht. Sie sehen vielmehr einen Vorteil darin: „Die klassische Ausbildung haben wir gemacht, damit wir unsere Stimmen weiterhin schulen und besser werden. Das ist super, weil man die klassische Ausbildung in unsere Auftritte einbinden kann. Davon profitieren wir ganz gut“, strahlt Franziska.

Mittlerweile ist der Wechsel zwischen Stilrichtungen für sie zum Alltag geworden. Seit knapp einem Jahr absolvieren sie ein dreijähriges Studium zur Musicalsängerin, das seit 1989 an der Stage & Musical School Frankfurt angeboten wird. Während montags bis freitags der Alltag aus musikalischer Lehre besteht, warten Wochenends die Auftritte.

Seit die Geschwister von der Realschule abgegangen sind, ist ihre Arbeit als volkstümliches Schlagerduo einfacher geworden: „Damals wurden wir schon ein bisschen belächelt und gehänselt. Da mussten wir uns durchschlagen. Aber an der Musicalschule wird es akzeptiert, dass wir uns für diese Richtung entschieden haben“, erzählt Julia.

Was die musikalischen Anforderungen beider Musikrichtungen betrifft, sind sich die Geschwister ausnahmsweise nicht ganz einig. Für Franziska ist der Anspruch zum Singen in der Klassik höher. Für ihre Schwester ist die Volksmusik „schwerer zu singen, weil sie von der Art, wie man sie singt, ganz anders ist als klassische Musik. Man kann beim Musical mehr aus sich herausgehen, man kommt mehr hervor mit seiner Stimme als im volkstümlichen Bereich.“

Um ihren Anspruch und ihr musikalisches Können unter Beweis zu stellen, binden sie mit großer Freude auch Musicalausschnitte in ihre Auftritte mit ein: „Wir wollen unsere Auftritte für das Publikum abwechslungsreich gestalten und auch einmal eine andere Facette zeigen“, erklärt Franziska lächelnd.

Vielleicht ist es das, was die Geschwister David von anderen jungen Künstlern abhebt und sie dreimal in Folge im Nachwuchswettbewerb von „Immer wieder Sonntags“ gewinnen ließ – ihre Offenheit gegenüber musikalischen Herausforderungen. Vielleicht ist es aber auch die Tatsache, dass die beiden Zwillinge sind. „Ich glaube, bei uns kann eine gemeinsame Karriere ziemlich lange halten. Es ist schön, wenn die Chemie stimmt. Das passt bei uns super.“ Schließlich ist es schon ein kleiner Vorteil, wenn die eine weiß, was die andere möchte. „Wenn ich merke, dass Franzi mit ihrer Stimme Probleme hat, dann singe ich einfach mit. Wir können uns wunderbar ergänzen“, erzählt Julia und strahlt ihre Schwester an.

Momentan ist die Schlagerbranche ein lukratives Geschäft. Mit 8,6 Prozent am Gesamtumsatz der Musikindustrie landet sie 2009 auf dem dritten Platz. Aber das zu erwähnen, kommt den Zwillingen genauso wenig in den Sinn, wie von einer möglichen Konkurrenz in Nachwuchswettbewerben zu sprechen. Laut Julia macht jeder die Musik, die ihm Spaß macht. „Musik verbindet und es macht uns noch mehr Spaß, wenn auch Leute in unserem Alter bei Auftritten sind.“

Morgen ist wieder Wochenende. Dann werden die beiden erneut, strahlend und selbstbewusst gemeinsam in Dirndl und weißen Schuhen auf die Bühne treten, um vor 100 Fans ihr Fanclubfest zu feiern und ihre Lieblingsmusik diesmal nicht aus Omas Radio sondern live, erklingen zu lassen. Auch wenn es nicht das ist, was zu zwei siebzehnjährigen Jugendlichen passen will. Zu ihnen passt es!

Lisa Schwinn

© Geschwister David