Serious Games wollen nicht bevormunden


Unter Serious Games (engl. für ernsthafte Spiele) versteht man digitale Spiele, die nicht ausschließlich der Unterhaltung dienen, wohl aber derartige Elemente zwingend enthalten. Franziska Reinhard arbeitet seit drei Jahren bei Daedalic Entertainment als Game Designerin. Ihre Aufgaben umfassen unter anderem die inhaltliche und spielerische Konzeption, das Entwickeln von Geschichten und Rätseln sowie die Betreuung der Grafiker, Autoren und der technischen Umsetzung. Derzeit arbeitet sie als Lead Game Designerin an dem neuen Titel “Das Schwarze Auge: Satinavs Ketten”.

Frau Reinhard, welche Zielgruppe wird insbesondere mit Serious Games (SG) erreicht?

Die Zielgruppe orientiert sich an der Thematik, die dem Spiel zugrunde liegt. Primär sollen Menschen angesprochen werden, die entweder von der Problematik betroffen sind oder die sich dafür interessieren. Ein Serious Game sollte jedoch so gestaltet sein, dass das Interesse aller Spieler geweckt wird, also auch solcher, die nicht betroffen sind, sodass die Thematik möglichst viele Menschen erreicht.

Was sind die Hauptcharakteristika von SG?

Ein Serious Game ist zuallererst ein Spiel – ein Spiel mit seriösem Hintergrund. Das Vermitteln der Lerninhalte ist zwar das Ziel, der Spielspaß steht aber im Vordergrund. Im eigentlichen Spielverlauf soll die Sensibilisierung für das Thema quasi automatisch geschehen.

Was ist der Unterschied zwischen einem Lernspiel und einem SG?

Beiden gemeinsam ist die Kombination aus Lerninhalten und Spielspaß. Serious Games zeichnet jedoch ihre Nähe zu digitalen Unterhaltungsspielen aus. Der Spielspaß steht deutlich im Vordergrund. Die Lernziele sind zweitrangig. Anders als im Lernspiel geht es im Serious Game nicht um das tatsächliche Üben von Lerninhalten. Es geht vielmehr darum, spielerisch an die Thematik heranzuführen. Im Idealfall motiviert das Spiel dazu, sich auch über das Medium hinaus mit der Thematik auseinanderzusetzen.

Gleichzeitig ist dies aber kein Muss. Jeder kann das Spiel genießen und einfach Spaß haben. Deshalb ist es auch für eine sehr breite Zielgruppe geeignet.

Nach welchen Kriterien wird die Thematik ausgewählt, um in einem SG behandelt zu werden?

In der Regel werden wir von einem Projektpartner angesprochen, der ein Spiel zu einer bestimmten Thematik umsetzen möchte. Zu den Projektpartnern gehören beispielsweise Bundesministerien, Bildungs- und Forschungseinrichtungen oder gemeinnützige Organisationen, wodurch die Thematiken völlig unterschiedlicher Natur sein können. Wir nehmen uns dann dessen an und bewerten, ob und wie sich die Thematik unter den vorgegebenen Voraussetzungen umsetzen lässt und arbeiten mit dem Partner ein Spielkonzept aus.

Wie lange dauert es bis eine Story um ein Thema aufgebaut ist?

Das hängt zum einen stark vom Umfang des Spiels ab. Zum anderen kann man sagen, dass das Schreiben einer Story für ein Serious Game meist etwas mehr Zeit beansprucht als für ein normales Unterhaltungsspiel. Je nach Thematik kann im Vorfeld recht viel Recherche notwendig sein und die Integration der Lerninhalte in den Storyverlauf ist meist aufwändiger, sodass es entsprechend länger dauert.

Was ist beim Entwickeln einer ansprechenden Storyline zu beachten?

Allgemein gelten bei der Storyentwicklung für ein Serious Games die gleichen Anforderungen wie für andere storybasierte Computerspiele. Hier werden die Grundmechanismen des Storytelling angewendet. Die Ideen für das Setting und die Charaktere entstehen oft im Kontext mit der eigentlichen Thematik. Bei der Ausarbeitung versuchen wir uns in die Zielgruppe hineinzuversetzen und herauszufinden, wie sich die Problematik am besten in eine interessante Geschichte einbetten lässt. Die Schwierigkeit dabei ist, immer wieder Situationen zu erschaffen, in denen die Thematik aufgegriffen werden kann, ohne zu aufgesetzt zu wirken. Eine enge Zusammenarbeit mit dem Partner bei der Integration der Thematik ist unabdingbar.

Was ist die größte Herausforderung bei der Entwicklung von SG?

Nichts ist schlimmer für den Spieler, als wenn er sich bevormundet fühlt. Die größte Herausforderung ist es somit, die Lerninhalte so in den Spielablauf zu integrieren, dass sie sich natürlich einfügen. Da diese nicht im Vordergrund stehen, sollten sie im besten Fall direkt auf der durch das Genre definierten Spielmechanik aufbauen. Neben der eigentlichen Thematik gibt es oft noch weitere Anforderungen, die im Bildungskontext oder für den Projektpartner relevant sind. Dazu gehören beispielsweise moralische oder kulturelle Aspekte, auf die besonders geachtet werden muss.

Was machen Ihre SG so außergewöhnlich, dass sie bei Preisen so erfolgreich sind?

Serious Games werden oft im Rahmen von Forschungsprojekten und mit einem nichtkommerziellen Hintergrund produziert. Daedalic entwickelt Serious Games wie vollwertige Spiele, die lediglich im Spielumfang hinter unseren anderen Produkten zurückbleiben.

Wie fühlt man sich, wenn man für Jugendspiele ausgezeichnet wird, aber eher im Erwachsenenbereich angesiedelte Spiele produziert?

Eine Auszeichnung stellt in jedem Fall eine Anerkennung unserer Arbeit dar, deshalb fühlen wir uns geehrt. Und wir freuen uns natürlich über jeden Spieler, dem unsere Spiele gefallen, egal ob alt oder jung. Die Einordnung in die Preiskategorien orientiert sich auch oft an den gesetzlichen Alterseinstufungen. Da die Spiele von Daedalic bisher immer recht niedrige Alterseinstufungen bekommen haben, wurden sie als Kinder- bzw. Jugendspiele nominiert. Dies hat jedoch wenig mit dem tatsächlichen Alter der Spieler zu tun.

medienbewusst.de bedankt sich bei Franziska Reinhard für das Interview und wünscht weiterhin viel Erfolg.

Klaus-Peter Vollbrecht