Über die Bedeutung von Familiensendungen


2008 stand Wetten, dass…? noch auf der Hitliste der Familiensendungen ganz weit oben. Nach dem Ende der erfolgreichen Wett-Show mit Thomas Gottschalk hat medienbewusst.de die Programmpläne der Sender unter die Lupe genommen. Wir wollten wissen, welche Sendungen für die ganze Familie das deutsche Fernsehen bereit hält oder ob Familiensendungen an Bedeutung verlieren und nach und nach verschwinden.

„Ich finde es schön, wenn Familien gemeinsam mit ihren Kindern fernsehen“, das sagten laut einer ZDF-Studie 82% der Eltern 6-13-jähriger Kinder in Deutschland. Doch wie sieht die Fernsehnutzung in den Familien wirklich aus? Gibt es noch eine gemeinsame Fernsehzeit bei Kindern und ihren Eltern? Und wenn ja, für welche Sendungen schalten Familien den Fernseher noch ein?

Kinder sehen vor allem zwischen 18 und 21 Uhr besonders viel fern. Nach Daten der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) vereinen sich hier die Fernsehnutzungszeiten der Eltern mit denen der Kinder, denn ab 18 Uhr sieht jedes dritte Kind in Deutschland gemeinsam mit einem Elternteil fern. Ganz weit vorne liegen Sendungen zu Sportgroßveranstaltungen wie die Fußball-Europameisterschaft und die dazugehörigen Nachrichten in den Spielpausen. Außerdem sind Spielfilme wie Ice Age oder Madagaskar sowie Samstagabendshows wie das Wett-Format Wetten, dass…? oder Deutschland sucht den Superstar sehr beliebt. Oft genannt wurden aber auch Sendungen wie Unser Sandmännchen, Heidi oder Wickie, die alle drei im KI.KA zu sehen sind. Diese besonderen Programmanlässe vereinen Familien vor dem Fernseher und führen zu stark ritualisierten Fernsehsituationen in Familien, mit dem Kinderprogramm im Mittelpunkt. Dabei ist es interessant, einen Blick auf die Personenkonstellationen zu werfen: Mütter und Töchter sehen vor allem Sendungen des KI.KA wie Unser Sandmännchen, Hannah Montana oder Daily Soaps wie Gute Zeiten schlechte Zeiten gemeinsam an. Väter verfolgen eher das SuperRTL-Programm mit ihren Söhnen. Hierzu zählen Sendungen wie SpongeBob Schwammkopf, Hotel Zack & Cody oder Wissensendungen wie Die Sendung mit der Maus im WDR.

Mit den Eltern gemeinsam genutzte Fernsehsender (Bild durch Anklicken vergößern)

medienbewusst.de berichtete bereits über die Ergebnisse der aktuellsten FIM-Studie (Familie, Interaktion und Medien). Die links abgebildeten Ergebnisse zeigen die gemeinsam rezipierten Sender und Sendungen. Bei Familien mit jüngeren Kindern steht insbesondere der KI.KA hoch im Kurs, bei den Familien mit älteren Kindern dagegen werden RTL und ProSieben bevorzugt. Da die Bandbreite der einzelnen Sendungen sehr umfangreich ist, wurden die Sendungen in Genres zusammengefasst. Die häufig genannten Sendungen überschneiden sich mit denen der GfK-Studie.


Gemeinsam mit den Eltern geschaute Fernsehsendungen (Bild durch Anklicken vergößern)

Forscher konnten anhand der Analysen der drei erfolgreichen Familienformate Wetten, dass…?, Deutschland sucht den Superstar und Sportsendungen einige Erfolgsfaktoren ausmachen, die die Sendungen für die ganze Familie interessant machen. Zum einen handelt es sich um Sendereihen. Die programmliche Kontinuität und die damit verbundenen Wiederholungen schaffen Vertrautheit und Geborgenheit bei Kindern und Eltern. Zum anderen besteht eine gewisse Nähe zu Märchen in allen drei Sendungsformaten. Ganz nach dem Motto “Erfolg ist machbar” oder “vom Tellerwäscher zum Millionär” werden Kinder sowie Eltern in Kindheitsfantasien und Traumwelten versetzt. Wettkampfsituationen bei großen Sportevents oder bei Sendungen wie Wetten, dass…? führen zur Identifikation mit den Kandidaten der Show, da hier der Menschen “wie Du und Ich” im Wettstreit antreten. Speziell die Kinderwette der Samstagabendshow, die sich mit kindlichen Fertigkeiten und Leistungen befasst, erscheint für Familien besonders attraktiv.

All diese Faktoren führen dazu, dass Kinder und ihre Eltern diese Formate im Fernsehen verfolgen und regelmäßig zum gemeinsamen Fernsehen locken. Gemeinsames Fernsehen schafft gemeinsame Erinnerungen und ein Zusammengehörigkeitsgefühl, das ein harmonisches Familienleben fördert.

Bedenklich ist jedoch die voranschreitende Individualisierung der Fernsehnutzung – denn Kinder sitzen immer häufiger allein vor dem TV. Dies ist zum einen darauf zurückzuführen, dass heute mehr Fernsehgeräte in den Haushalten zur Verfügung stehen. Fast jedes vierte Kind im Alter von 6-11 Jahren und etwa sechs von zehn Jugendlichen im Alter von 12-19 Jahren haben einen eigenen Fernseher in ihrem Kinderzimmer. Zum anderen spielen veränderte Einstellungen und Erziehungspraktiken der Eltern in Bezug auf Fernsehen und Kinder eine große Rolle. Eltern schreiben dem Fernseher wichtige Funktionen wie Unterhaltung, soziale und kommunikative Elemente sowie Nützlichkeit für die Schule zu. Viele sehen den Fernseher auch als eine Art Babysitter und das gemeinsame Fernsehen wird dabei weniger bedeutsam.

Aufgrund der zunehmenden Individualisierung sind gemeinsame Familienabende besonders wichtig. Auch wenn Forschungen zeigen, dass Kinder immer häufiger alleine vor dem Fernseher sitzen, sind Kindersender wie KI.KA oder Sportgroßereignisse bei der gemeinsamen Rezeption von Kindern und Eltern ein bedeutendes Element. Und bei kindgerechten Spielfilmen wie Ice Age oder Madagaskar lässt es sich doch am besten gemeinsam mit der Familie lachen!

Mona Bader

Bildquelle:
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